Nächtlicher Luftmassenaustausch
Während die meisten schliefen, veränderte sich die Luftmasse um uns herum ordentlich. Die sehr warme bis heiße Luft wurde ausgeräumt und durch frische Meeresluft ersetzt. Geräuschlos ging dies aber nicht über die Bühne.
Während am gestrigen Samstag in weiten Teilen des Landes ordentlich Schwitzen angesagt war, kann heute mal ordentlich durchgeatmet bzw. gut gelüftet werden. Der Spätsommer gab zum Beginn des Wochenendes nochmal alles und brachte in weiten Teilen des Landes Höchstwerte von mehr als 30 Grad, stellenweise wurde im Südwesten auch die Marke von 35 Grad überschritten (z.B. Pforzheim-Ispringen oder Waghäusel-Kirrlach). Nur im äußersten Nordwesten konnte die Schwelle zum heißen Tag (mindestens 30 Grad) nicht geknackt werden ? das waren bereits die Vorzeichen des bevorstehenden Luftmassenwechsels.
Nun kann man eine Luftmasse zwar nach den gemessenen Werten am Boden charakterisieren (beispielsweise durch Temperatur und Taupunkt), aber die Einflüsse der bodennahen Schichten sowie besonders die Meereshöhe müssen bei der Einordnung natürlich beachtet werden. Daher schauen Meteorologen für die Beschreibung der wetterbestimmenden Luftmasse gerne auf ein bestimmtes, einheitliches Druckniveau, meist ist es jenes in 850 hPa. Bei annähernden Standardbedingungen befindet sich dieses Druckniveau um 1500 m über dem Meeresspiegel, kann aber durchaus auch etwas davon abweichen ? sowohl nach unten, als auch nach oben. Schaut man sich die Werte der Temperatur in 850 hPa vom gestrigen Tag an, sieht man in der Mitte und im Süden verbreitet 20 Grad aufleuchten, teilweise sogar 22 Grad. Nur im Norden verblieben die Werte etwas unter der Marke von 20 Grad. Daraus resultierten bei entsprechender Einstrahlung die beschriebenen Höchstwerte. Im Sommer kann bei entsprechenden Rahmenbedingen allein aus der Temperatur in 850 hPa die Tageshöchsttemperatur gut abgeleitet werden (siehe Link).
Beim Betrachten des heutigen Tages fällt nun sofort ins Auge, dass die Luftmassentemperatur in 850 hPa deutlich von den gestrigen Werten abweicht. Im Norden beläuft sich diese noch auf etwa 5 Grad, im Südosten sind kaum mehr 10 Grad erreichbar. Das bedeutet, dass es während der vergangenen Nacht zum Sonntag einen mächtigen Luftmassenwechsel gab, der die Luftmassentemperatur um 10 Grad und mehr abfallen ließ. Verantwortlich dafür war natürlich eine Kaltfront, und zwar jene von Tief VERUCA mit Kern über der Mitte Skandinaviens. Genau genommen hat diese das Bundesgebiet noch nicht komplett überquert, denn sie sorgt im Südosten Deutschlands noch für schauerartig verstärkten Regen, der im Laufe des Nachmittags und Abends nur langsam abklingt. Dieser Regen ist der Rest der Kaltfrontpassage, die von gestern Abend bis in die zweite Nachthälfte hinein besonders in der Westhälfte sowie Teilen der Mitte teils starke Gewitter mit Sturmböen und Starkregen brachte. Die stärksten Böen wurden dabei auf den Nordseeinseln sowie an der Küste gemessen (teilweise deutlich über 100 km/h), aber auch sonst gab es vielerorts stürmische Böen oder Sturmböen bis 85 km/h, teils auch einzelne schwere Sturmböen mit knapp 100 km/h. Dazu kam kräftiger Regen, der aber die Unwetterkriterien meist nicht erreichte.
Doch nach dem Temperatur-Absturz ist vor dem Anstieg, der aber deutlich langsamer von statten gehen wird. Bleiben wir mal wieder bei den Temperaturen in 850 hPa: Am Montag tut sich dabei noch nicht viel, aber am Dienstag werden im Süden schon wieder Werte von 12 bis 14, im Norden knapp unter 10 Grad erreicht. Dieser Trend setzt sich am Mittwoch fort und findet den Höhepunkt am Donnerstag mit 12 bis 18 Grad. Dabei überwiegt Hochdruckeinfluss, sodass sich das Schauer- und Gewitterrisiko in der ersten Wochenhälfte sehr in Grenzen hält. Ab Donnerstag steht dann eine mögliche nächste Kaltfrontpassage ins Haus, sodass sich die Luftmassentemperatur an den Folgetagen wieder etwas reduzieren würde. Hier ist das letzte Wort aber noch nicht gesprochen.
Mag.rer.nat. Florian Bilgeri
Deutscher Wetterdienst