Von Feuchtigkeit und Hitze
Um die Auswirkungen der derzeitigen Hitze auf den menschlichen Organismus abschätzen zu können, reicht es nicht, die Lufttemperatur zu betrachten. Auch die Feuchte und die Luftbewegung spielen eine bedeutende Rolle.
Derzeit leidet Deutschland unter einer Hitzewelle. Dabei mag sich die Eine oder der Andere stirnrunzelnd fragen, ob es sich bei Tageshöchstwerten von 30 bis 37 Grad nicht nur um einen "normalen" Sommertag handelt. Immerhin kann die Temperatur im August sogar auf Werte um 40 Grad ansteigen. Ist es also übertrieben, vor einer starken oder gar einer extremen Wärmebelastung zu warnen?
Dazu muss man wissen, dass in Wettervorhersagen üblicherweise zwar nur die Lufttemperatur angegeben wird. Das Temperaturempfinden des Menschen entspricht jedoch der vorherrschenden Lufttemperatur nur, wenn man sich mit der Temperatur angemessener Kleidung bei mittlerer Luftfeuchtigkeit und Windstille langsam im Schatten bewegt. In der Sonne und bei hohem Wasserdampfgehalt der Luft empfindet man die Temperatur als höher, bei Wind - besonders im Winter - als geringer. Es spielt also nicht nur die Lufttemperatur eine Rolle beim Einfluss der Hitze auf den menschlichen Organismus. Auch die Feuchte der Luft und die Luftbewegungen sollten nicht vernachlässigt werden. Allerdings ist die Frage "Wie feucht ist die Luft?" gar nicht so leicht zu beantworten. Das liegt daran, dass man sich zuerst einmal darauf festlegen muss, welches Maß man zur Betrachtung der Feuchte auswählt. So ist unter anderem die relative Feuchte (relative Luftfeuchtigkeit) eine sehr gebräuchliche (und vielleicht die am häufigsten verwendete) Größe zur Angabe des Feuchtegehalts der Atmosphäre. Sie gibt das Verhältnis zwischen der tatsächlich in der Luft befindlichen Wasserdampfmenge und der bei denselben Bedingungen maximal möglichen an. Ist die Luft gesättigt, kann sie also keinen zusätzlichen Wasserdampf mehr aufnehmen, so beträgt die relative Feuchte 100 Prozent. Problematisch bei dieser Größe ist vor allem, dass die Menge des Wasserdampfs, den die Atmosphäre aufnehmen kann, vom Druck und der Temperatur abhängig ist. Mit anderen Worten: Bei Druck- und Temperaturänderungen schwankt der Wert der relativen Feuchte auch dann, wenn die Menge des Wasserdampfs in der Atmosphäre gleich bleibt. Dabei gilt insbesondere, dass die relative Feuchte steigt, wenn die Temperatur sinkt. So liegt die relative Feuchte derzeit tagsüber bei 40 bis 60 Prozent, in den Nächten dagegen bei 80 bis 100 Prozent. Will man stattdessen Aussagen zur absoluten Menge an Wasserdampf in der Atmosphäre machen, so eignet sich für eine solche Betrachtung die sogenannte Taupunkttemperatur (kurz: der Taupunkt). Damit wird die Temperatur beschrieben, auf die man ein Luftpaket (ein kleines abgeschlossenes Luftvolumen) abkühlen muss, damit die relative Feuchte 100 Prozent beträgt. Sie liefert ein Maß für die absolute Feuchte in der Luft, ist nicht temperaturabhängig und es gilt, dass die Luft umso feuchter ist, je höher die Taupunkttemperatur liegt. Am heutigen Montag und in den Folgetagen bewegt sich die Taupunkttemperatur insbesondere in der Südwesthälfte regional bei Werten von über 20 Grad. Nun lassen diese Feuchtemaße jedoch keinen unmittelbaren Rückschluss auf die Auswirkungen der Hitze auf den menschlichen Organismus zu. Hier bedient man sich der sogenannten "Gefühlten Temperatur". Dabei handelt es sich um eine künstliche Größe, die das Temperaturempfinden eines Menschen beschreibt. Zur Berechnung der Gefühlten Temperatur setzt der DWD das sogenannte "Klima-Michel-Modell" ein. Hier werden atmosphärische Bedingungen mit dem Energieumsatz eines Modellmenschen, dem Klima-Michel, beim Gehen mit konstanter Geschwindigkeit von 4 km/h verknüpft. Michel ist übrigens männlich, 35 Jahre alt, 1.75 Meter groß und 75 Kilogramm schwer. Seine Bekleidung passt er dem Sommerwetter so an, dass er nach Möglichkeit Behaglichkeit empfindet. Die daraus resultierende Gefühlte Temperatur steigt unter sommerlichen Bedingungen viel schneller als die Lufttemperatur an. Ist es jedoch kühl bei schwachem bis mäßigem Wind, kann sie auch unter die Lufttemperatur absinken.
Am heutigen Montag (12.08.2024) liegt die Gefühlte Temperatur im äußersten Südwesten bei bis zu 40 Grad und breitet sich am morgigen Dienstag weiter nordostwärts aus. Einzig der äußerste Nordosten sowie einige Küstenregionen sind dann bei Gefühlten Temperaturen von unter 30 Grad von der Hitze verschont. Am Mittwoch werden "nur noch" Gefühlte Temperaturen von bis zu 37 Grad erreicht, dennoch muss weiterhin von einer starken Wärmebelastung ausgegangen werden. Erst am Donnerstag entspannt sich die Situation in weiten Teilen Deutschlands, wobei die Subtropikluft im Süden Deutschlands voraussichtlich nicht vollständig ausgeräumt wird. Und wann wird nun vor einer "starken Wärmebelastung" gewarnt? Dies geschieht, wenn die Gefühlte Temperatur am frühen Nachmittag einen Schwellenwert von 32 Grad Celsius überschreitet. Dieser Schwellenwert kann aber aufgrund eines Akklimatisationseffektes bei Ereignissen im Frühsommer etwas niedriger und im Hochsommer etwas höher liegen. Als weiteres Kriterium einer Warnung wird die nächtliche Temperatur von Innenräumen herangezogen. Denn bleibt die Nacht zu warm, verschlechtert sich die Schlafqualität. Durch diese zusätzliche Belastung wird die Hitze tagsüber schlechter verkraftet. Überschreitet die Gefühlte Temperatur am frühen Nachmittag einen Wert von 38 Grad Celsius, so wird vor einer "extremen Wärmebelastung" gewarnt. Weitere Informationen zum Thema Hitze sowie die aktuellen Hitzewarnungen finden Sie unter www.hitzewarnungen.de.
MSc.-Met. Sebastian Schappert
Deutscher Wetterdienst