Reinhard Süring - Bis an die Grenzen und darüber hinaus (Teil 1)
Es ist der Jahrestag eines Mannes, der die Meteorologie vom Ende des 19. bis zur Hälfte des 20. Jahrhunderts maßgeblich geprägt und vorangetrieben hat. Wetterbegeistert oder einfach nur lebensmüde? Entscheiden sie selbst...
Der 15. Mai ist aus meteorologischer Sicht kein ganz gewöhnlicher Tag. Nein, gemeint ist nicht irgendein Schwergewittertag in den letzten Jahrzehnten oder ein besonders "knackiges" Ende der Eisheiligen in der jüngsten Vergangenheit. Für diese Art von Gedächtnis, bei dem sämtliche Tage, Wochen und Monate mit markanten Wetterereignissen abgespeichert werden und im Falle eines Weckens aus dem Tiefschlaf nachts um drei sofort abrufbar wären, braucht man ohnehin einen siebten Sinn. Einige unserer Kolleginnen und Kollegen können das traumwandlerisch. Bewundernswert! Ob Reinhard Süring auch ein derartiges Datumsgedächtnis hatte, ist nicht überliefert. Gleichwohl hat er in der Meteorologie mächtige Fußstapfen hinterlassen.
Das Licht der Welt erblickte Reinhard Joachim Süring im Jahr 1866 in Hamburg. Schon früh war er an Naturwissenschaften und speziell an den Bedingungen und Prozessen in höheren Luftschichten interessiert. So promovierte er nach seinem Studium für Mathematik und Naturwissenschaften in Göttingen, Marburg und zuletzt Berlin dort 1890 mit seiner Arbeit über "Die vertikale Temperaturabnahme in Gebirgsgegenden in ihrer Abhängigkeit von der Bewölkung". Wie dem abgebildeten Deckblatt zu entnehmen ist, wurde "vertheidigen" damals übrigens noch mit "h" geschrieben. ? Im gleichen Jahr wurde er Assistent am Preußisch-Meteorologischen Institut in Berlin und mit Gründung des Meteorologisch-Magnetischen Observatoriums in Potsdam im Jahre 1892 auch dort. Die erste offizielle Wetterbeobachtung der Säkularstation Potsdam fand am Neujahrstag des Jahres 1893 statt und wurde von Reinhard Süring vorgenommen. Das Wort säkular stammt aus dem Lateinischen (saeculum) und bedeutet Jahrhundert. Die Messreihe in Potsdam ist mit inzwischen über 130 Jahren eine der ältesten Deutschlands. Fortan war er in der Region fest verwurzelt.
Nach der Geburt seiner ersten von insgesamt drei Töchtern mit seiner Ehefrau Olga Elisabeth Wedekind leitete Süring von 1901 an die Gewitterabteilung des Preußisch-Meteorologischen Instituts. Nun war der Stand der damaligen Meteorologie natürlich noch fernab irgendwelcher Modellberechnungen oder Basiskonzepten, wie beispielsweise auch in dieser Rubrik bereits vorgestellten "Zutatenmethode". Die Faszination fürs Wetter und insbesondere der Wolkenphysik (Entstehungs- und Umwandlungsprozesse) hatten es ihm aber ganz besonders angetan.
Was lag da näher als der Gedanke mithilfe einer bemannten Ballonfahrt selbst einmal in die Wolkenwelt einzutauchen und Messungen vorzunehmen, zumal der Kollege Richard Aßmann (Erfinder des Aspirationspsychrometer) mittels eines unbemannten Registrierballons jüngst eine erstaunliche Entdeckung machte: Laut seiner Messungen hörte nämlich die Temperaturabnahme mit zunehmender Höhe in Schichten zwischen 10 und 13 Kilometer plötzlich auf und kehrte sich gar in eine Zunahme um, was angezweifelt wurde - sogar von Aßmann selbst. Also schnappte sich Reinhard Süring am 31. Juli 1901 seinen Kollegen und im Übrigen zugleich auch engsten Mitarbeiter Aßmanns, Professor Arthur Berson und stieg mit diesem um 11 Uhr Ortszeit mit dem mit Wasserstoff gefüllten Ballon "Preußen" vom Tempelhofer Feld aus in die Luft. In ihrem Bericht über diese denkwürdige Ballonfahrt schrieben sie: "...Nach 40 Minuten hatte der Ballon bereits eine Höhe von 5000 Metern erreicht. Erst in dieser Höhe nahm der Ballon seine Kugelform an. Die Temperatur war um mehr als 30 Grad auf minus 7 Grad gesunken. Wir fingen bereits zwischen 5 und 6 km Höhe mit der regelmäßigen Sauerstoffatmung an. Nach etwa dreistündiger Fahrt hatten wir 8000 Meter erstiegen, nach 4 Stunden 9000 Meter. Der Einfluss der nunmehr unter 1/3 Atmosphärendruck verdünnte und auf minus 32 Grad abgekühlten Luft machte sich in einer Steigerung der Schlafbedürfnisse geltend. Die letzte den Druck und die Temperatur umfassende Beobachtungsreihe wurde in 10225 Metern prompt und völlig deutlich niedergeschrieben. Bald darauf fielen wir beide in tiefe Ohnmacht; Berson zog noch unmittelbar vorher mehrfach das Ventil, als er schon seinen Gefährten (Süring) schlafen sah (Berson und Süring 1901). ..."
Na, neugierig wie's weitergeht? Dann verpassen Sie nicht die in Kürze erscheinende Fortsetzung.
Dipl.-Met. Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst