Eisstau Überflutungsgefahr durch angestautes Eis
Dickes Eis auf Flüssen und Seen kann nicht nur schön aussehen und das Winterherz von Schlittschuhläufern höherschlagen lassen, sondern kann in manchen Fällen zu einem gefährlichen Naturschauspiel werden. Näheres dazu finden Sie im heutigen Thema des Tages.
Ende Dezember 2023 sowie Anfang des neuen Jahres war es bei uns in Mitteleuropa ungewöhnlich mild und es regnete länger andauernd. Im Thema des Tages vom 18. Januar 2024 wurde auf diese milde und feuchte Witterungsperiode näher eingegangen und der hydro-klimatologische Bericht vorgestellt. Als sich die Witterung Anfang Januar umstellte und in Deutschland eisige Frostnächte vorhergesagt wurden, erreichten uns zahlreiche Anfragen, wie sich der Frost auf das Hochwasser in Teilen Deutschlands auswirken würde. Im Zuge dessen wurden Erinnerungen an lang zurückliegende Winter wach, in denen Eisstaus auf Flüssen bei uns in Deutschland mit Beginn einer milden Witterungsphase zu Überflutungen führten.
Gefriert das Wasser eines Flusses im Winter und steht zum Ende der Jahreszeit die warme Witterung bevor, steigt die Gefahr für Eisstau und das Risiko für Überflutungen in der Umgebung. Eisstaus entstehen, wenn die Eismassen in einem Fluss dessen Transportkapazität übersteigen. Der Prozess beginnt, wenn ein Fluss in strengen Wintern komplett von einer dicken Eisschicht überzogen wird. Das von Ufer zu Ufer reichende Eis wächst weiter und kann Tage, Wochen oder sogar Monate bestehen bleiben. Natürlich verändert es sich mit jeder Wetteränderung, dehnt sich aus oder schmilzt.
Durch folgende Prozesse bricht diese massive Eisschicht im Verlauf des Winters/Frühlings auf und die Eisschmelze setzt ein: Zum einen sorgen steigende Temperaturen und die zunehmende solare Einstrahlung dafür, dass das Eis zu tauen beginnt. Zum anderen lassen aufkommender Regen sowie Schneeschmelze den Wasserstand steigen, was wiederum Druck auf das Eis ausübt und zu einem Aufbrechen der Eisfläche führt.
Manchmal taut das Eis durch längere Wärmeperioden nur allmählich, bricht auf, fließt ab und stellt für das Flusssystem sowie die Infrastruktur keine größere Gefahr dar. Zuweilen kann es aber auch passieren, dass die Eisschmelze weniger organisiert erfolgt. Dann kann es zum sogenannten "Eisstau" kommen. Eisschollen türmen sich im Fluss und an den Ufern auf und es kommt nicht selten zu Überflutungen in der näheren Umgebung.
Wie genau passiert diese unorganisierte Eisschmelze?
Wenn das Eis zu schmelzen beginnt, bricht es in große Schollen auf und bewegt sich mit dem fließenden Wasser flussabwärts. Es kann über die Ufer treten, wodurch sich die Eismenge im Fluss verringert. Gelangt es aber an Engstellen im Fluss, wie einer Flussbiegung, stößt es an Brückenpfeiler oder rutscht es über sehr flache Stellen des Gewässers mit geringem Gefälle, können die Eisschollen verkanten, dadurch ihre Geschwindigkeit verringern und letztlich sogar komplett stoppen. Das Wasser fließt hingegen weiter und transportiert weitere Eisschollen, die sich dann nach und nach zurückstauen. Findet das Wasser im Flussbett keinen Weg mehr unter dem Eis hindurch und an den Eisschollen vorbei, staut es sich flussaufwärts und ergießt sich über das angrenzende Land. Dies führt schlussendlich zu Hochwasser im Fluss und kann in schwerwiegenden Überschwemmungen in der Umgebung münden, da Wasser, Eis und Geröll aus dem Flussbett verdrängt werden.
Ein Eisstau kann sich nur durch Abschmelzen oder durch genug Druck aufgrund steigender Wasserpegel auflösen. Bis das Eis nicht komplett abgeschmolzen ist, kann ein Eisstau jedoch immer wieder entstehen. Setzt sich das aufgestaute Eis beim Abtauen sehr plötzlich in Bewegung, ist die Gefahr einer aufkommenden Flutwelle recht groß. Dass es beim Auflösen eines Eisstaus nur kaum oder gar keine Auswirkungen gibt, ist aber ebenfalls durchaus möglich.
Eisstaus kommen bei uns in Deutschland selten vor. Die Winter sind oft zu mild. In Kanada oder den USA hingegen sind Eisstaus mit Überschwemmungen im Winter häufiger an der Tagesordnung, wie jüngst in kleinerem Umfang nahe Florence, Colorado/USA.
Dipl.-Met. Julia Tuschy
Deutscher Wetterdienst