(Un)Wetterwarnungen des DWD Teil 3: Wie entsteht eine Warnung?
Heute erklären wir, mit welchen Methoden und auf Basis welcher Daten die Warnmeteorologen des DWD Wetter- und Unwetterwarnungen erstellen.
In den beiden ersten Teilen dieser Serie haben wir zum einen vorgestellt, welche unterschiedlichen Zielgruppen auf (Un)Wetterwarnungen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) angewiesen sind und in welche Intensitätsstufen diese unterteilt sind. Zum anderen haben wir das dreigliedrige Warnsystem vorgestellt - bestehend aus der "Wochenvorhersage Wettergefahren", den "Warnlageberichten" und den Gemeinde-genauen amtlichen Warnungen.
Heute erklären wir, wie die Warnmeteorologen Wetter- und Unwetterwarnungen erstellen. Dabei beschränken wir uns im Wesentlichen auf die letzte Phase unseres Warnsystems, den Gemeinde-genauen (Un)Wetterwarnungen. Der DWD warnt vor Wind/Sturm, Gewitter (inklusive Begleiterscheinungen), Stark- und Dauerregen, Nebel, Schneefall, Schneeverwehungen, Glätte/Glatteis, Frost und starkem Tauwetter. Diese haben sehr unterschiedliche Eigenschaften, sodass bei der Erstellung von Warnungen ganz unterschiedliche Daten gesichtet und bewertet werden müssen.
Das Winterhalbjahr hat begonnen und das bedeutet auch für uns Meteorologen eine Umstellung, denn salopp gesagt warnen wir im Winter oft ganz anders als im Sommer. Im Winter stehen häufig große Tiefdruckwirbel im Fokus. Wie kürzlich gesehen, haben sie starken Wind oder gar Sturm im Gepäck. Auch Schneefälle oder länger anhaltender Dauerregen sind oft ein Thema. Von diesen Wettererscheinungen sind in der Regel größere Gebiete betroffen, die üblicherweise schon frühzeitig von den numerischen Wettervorhersagemodellen erfasst werden. So wissen wir schon mehrere Tage im Voraus, wenn Teilen Deutschlands Sturm oder starke Niederschläge drohen und können in der "Wochenvorhersage Wettergefahren" bereits darauf hinweisen.
Wie stark beispielsweise ein bevorstehender Sturm wirklich wird und welche Gebiete am stärksten von ihm betroffen sind, können wir aber erst etwa einen Tag vor seinem Eintreffen halbwegs präzise abschätzen. Dazu schauen wir uns nicht nur ein Wettervorhersagemodell an, sondern vergleichen die Berechnungen von mehreren Modellen unterschiedlicher Wetterdienste und arbeiten mögliche Unterschiede heraus, die wir in den Warnungen berücksichtigen. Zudem analysieren wir sogenannte Ensembleprognosen. Dabei berechnet dasselbe Wettermodell mehrere dutzende Male das zukünftige Wetter mit leicht unterschiedlichen Startdaten. Als Ergebnis bekommen wir zum einen Wahrscheinlichkeitsaussagen, also beispielsweise mit welcher Wahrscheinlichkeit an einem bestimmten Ort Sturmböen auftreten. Zum anderen erhalten wir Kartendarstellungen vom Mittelwert aus allen Berechnungen und die extremste Lösung, quasi als "Worst-Case"-Szenario. All dies sichtet und bewertet der Meteorologe und zeichnet schlussendlich Warngebiete, stellt für diese die erwarteten Windgeschwindigkeiten, die Windrichtung und den Warnzeitraum ein. Üblicherweise können bereits 6 bis 18 Stunden (bei großen Unwetterlagen auch noch frühzeitiger) Wind- und Sturmwarnungen ausgeben werden. Vorhersagemodelle sind also die Hauptdatenquelle für überregionale warnwürdige Wetterereignisse. Ähnlich gehen wir bei der Warnung vor großflächigen Schneefallgebieten, Dauerregen oder Tauwetter vor, wobei bei allen zuvor genannten Wetterelementen auch die Topographie (z.B. Höhenlage, Staueffekte, Küstenlinien) eine wichtige Rolle spielt.
Beginnt das Warnereignis, muss der Warnmeteorologe ständig überprüfen, ob die zuvor ausgegebenen Warnungen passen. Zeigen zum Beispiel Wetterstationen über BeNeLux, dass an einer Kaltfront, die sich Deutschland nähert, die Windgeschwindigkeiten stärker ausfallen als vorhergesagt, muss er kurzfristig reagieren und die Warnungen stromabwärts erhöhen.
Etwas komplizierter wird es bei Glätte. Hier liefern gängige Wettervorhersagemodelle keine Informationen. Dafür gibt es spezielle Modelle, die den Straßenzustand vorhersagen, also ob Reifbildung, gefrierende Nässe oder Schneeglätte zu erwarten ist. Bei der Ausgabe von Glättewarnungen werden zudem Satellitenbilder begutachtet. Sind die Straßen nass und lockert am Abend die Bewölkung auf, ist durch rasche Abkühlung in diesen Gebieten das Risiko vor gefährlicher gefrierender Nässe besonders groß. Dies erkennt der Meteorologe oft erst mit wenigen Stunden Vorlauf. Auch das stetige Monitoren der Straßenbelagstemperaturen, von denen es ein dichtes Messnetz an Autobahnen, Haupt- und ausgewählten Nebenstraßen gibt, liefert uns wertvolle Hinweise auf Straßenglätte.
Im Sommerhalbjahr stehen in erster Linie Gewitter mit ihren Begleiterscheinungen (Starkregen, Hagel, Böen) im Fokus. Anders als bei winterlichen Warnelementen sind die Auswirkungen zwar teils erheblich, betreffen aber oft nur sehr kleine Gebiete. Während ein Dorf absäuft, fallen im Nachbardorf unter Umständen nur ein paar Tropfen. Kein Wettermodell kann vorherzusagen, zu welcher Uhrzeit ein Gewitter einem gewissen Stadtteil Starkregen und Sturmböen bringt. Mithilfe der Modelle kann man am Vortag aber oft zumindest das Gefährdungspotential, die Art der Gewitter (z.B. einzelne Zellen, große Gewitterkomplexe) und die zu erwarteten Begleiterscheinungen abschätzen. In unseren zentralen und regionalen Warnlageberichten und möglichen Vorabinformationen können wir mit 12 bis 24 Stunden Vorlauf (also ähnlich früh wie bei winterlichen Wettererscheinungen) darauf hinweisen, in welchen Regionen ein gewisses Potential für starke Gewitter besteht und wo mit schweren Unwettern zu rechnen ist. Gemeinde-genaue Gewitterwarnungen können aber noch nicht ausgegeben werden. Dazu benötigen wir Nowcasting-Produkte wie Niederschlagsradar- und Blitzdaten. Damit kann man erkennen, in welche Richtung ein Gewitter zieht, ob es sich verstärkt oder abschwächt, wieviel Regen fällt und ob Hagelschlag zu erwarten ist. Anhand spezieller Radarstrukturen kann man mitunter auch auf die Stärke von Sturmböen oder eine mögliche Tornadogefahr schließen. Automatisierte Auswertungstools unterstützen uns zudem bei der Wahl der Warnstufe und der auftretenden Wettergefahren. Gemeinde-genaue Gewitterwarnungen können also nur mit kurzer Vorlaufzeit (wenige Minuten bis eine Stunde) ausgegeben werden. Nur bei langlebigen Superzellen oder großen Gewitterkomplexen sind längere Vorlaufzeiten möglich.
Bei der Erstellung von Wetterwarnungen können übrigens auch Sie als Nutzer der DWD-Warnwetter-App ins Spiel kommen. Seit der Einführung der "Nutzermeldungen" haben wir Warnmeteorologen einen weiteren sehr wertvollen Datensatz dazubekommen. Haben Sie eine warnwürdige Wettererscheinung beobachtet, können Sie uns diese via App als Nutzermeldung mitteilen. Besonders hilfreich sind diese Meldungen, wenn sie mit Fotos belegt werden. Aufnahmen von Hagelkörnern, Sturmschäden oder mögliche Beobachtungen von Tornados oder Funnels (Wolkenrüssel ohne Bodenkontakt) werden bei der Erstellung unserer Warnungen mitberücksichtigt. Sie ermöglichen noch präzisere Warnungen für diejenigen Orte, denen das Gewitter noch bevorsteht. Auch im Winter sind Nutzermeldungen eine große Hilfe, z.B. bei Glätte/Glatteis oder den Neuschneemengen. Scheuen Sie sich nicht, uns zahlreiche Nutzermeldungen (mit Fotos) zukommen zu lassen. Damit liefern Sie einen wertvollen Beitrag zur Warnung der Bevölkerung.
Dr. rer. nat. Markus Übel
Deutscher Wetterdienst