Großwetterlagen im Großen und Kleinen
Im heutigen Thema des Tages geht es um Großwetterlagen. Diese können eine entscheidende Rolle bei der Entstehung sowie der Andauer und räumlichen Ausdehnung von Wetterkapriolen auf der einen und von lang anhaltendem "ruhigen Wetter" auf der anderen Seite spielen.
Die deutschen Meteorologen P. Hess und H. Brezowsky veröffentlichten 1952 einen Katalog mit einer subjektiven Einteilung der großräumigen Drucksituation über Europa in Klassen. Hierbei benannten sie 30 mögliche Großwetterlagen. Die Statistik der Großwetterlagen ist für jeden Tag seit 1881 verfügbar und wird bis heute vom Deutschen Wetterdienst fortgeführt. Für den Katalog mit den 30 Großwetterlagen und für die bis zum August 2023 aufgetretenen Großwetterlagen sei auf die Links am Ende des Textes verwiesen.
Eine Großwetterlage ist definiert als "die mittlere Luftdruckverteilung eines Großraumes, mindestens von der Größe Europas während eines mehrtägigen Zeitraumes, in welchem gewisse Züge aufeinanderfolgender Wetterlagen gleichbleiben, eben jene Züge, welche die Witterung in den einzelnen Teilgebieten des Großraums bedingen".
Um eine Großwetterlage bestimmen zu können, ist es wichtig, die geografische Lage der Steuerungszentren (Höhenhoch- und Höhentiefdruckgebiete, Tröge) sowie den Verlauf und die Erstreckung der Frontalzone zu kennen. Zur Beurteilung werden Höhenkarten (500hPa-Geopotential) herangezogen. Allerdings ist es ebenso wichtig, die Verteilung des auf Meeresniveau reduzierten Luftdrucks zu kennen, da für die ersten Jahrzehnte der Statistik (1881 bis 1938) nur Bodenwetterkarten für Europa und den östlichen Nordatlantik zur Verfügung standen. Bei der Festlegung einer Großwetterlage spielt zudem der Witterungscharakter über Mitteleuropa eine wichtige Rolle, der zumeist zyklonal oder antizyklonal geprägt ist. Außerdem soll die Zugrichtung wandernder Druckgebilde (hierzu zählen unter anderem Einzelzyklonen oder Zwischenhochkeile) sowie Gebiete gleicher Drucktendenz berücksichtigt werden.
Wie der Definition einer Großwetterlage zu entnehmen ist, muss eine Luftdruckverteilung über mehrere Tage in Grundzügen gleichbleiben, um als Großwetterlage bezeichnet werden zu können. Nach Hess und Brezowsky beträgt dieser Zeitraum mindestens drei Tage. Allerdings besteht die Möglichkeit, dass eine Großwetterlage nicht eindeutig genug in eine andere übergeht. Daher können auch ein bis zwei Übergangstage vorkommen. Diese erkennt man in der Statistik an dem Buchstaben "U" für "unbestimmt" oder der Nummer 30.
Die 30 Großwetterlagen können zunächst je nach Strömungsrichtung zehn Großwettertypen und diese wiederum drei Zirkulationsformen zugeordnet werden. Es gibt drei Arten von Zirkulationsformen: die Zonale, die Meridionale und die Gemischte. Zur zonalen Zirkulationsform zählen alle Westlagen. Diese werden durch eine glatte West-Ost-Strömung ermöglicht, wobei die Frontalzone nahezu parallel zu den Breitengraden verläuft. Einzelne Tiefdruckgebiete ziehen von ihrem Entstehungsgebiet im östlichen Nordatlantik über das europäische Festland hinweg.
Bei der meridionalen Zirkulationsform verläuft die Frontalzone überwiegend parallel zu den Längengraden. Stationäre, blockierende Hochdruckgebiete über dem subpolaren Raum sowie alle Troglagen, deren Achse sich in nord-südlicher Richtung erstreckt, sind charakteristisch für diese Zirkulationsform. Hierbei besteht die Möglichkeit, dass die einzelnen Tiefdruckgebiete sowohl von Nord nach Süd als auch von Süd nach Nord ziehen können. Neben den Nord- und den Südlagen zählen auch die Ostlagen zu dieser Zirkulationsform. Bei den Nordost- und den Südostlagen erscheint es zunächst als offensichtlich, diese der gemischten Zirkulationsform zuzuordnen, dennoch zählen auch sie zur meridionalen Zirkulationsform.
Die gemischte Zirkulationsform liegt dann vor, wenn die Strömungskomponenten aus zonaler und meridionaler Richtung ungefähr gleich groß sind. Hierbei verläuft die Frontalzone in einem Winkel von etwa 45° zu den Breiten- bzw. Längengraden. Der Austausch von Luftmassen, die aus verschiedenen geografischen Breiten stammen, kann zwar erfolgen, allerdings nicht mit der gleichen Intensität wie auf dem meridionalen, also dem kürzesten Weg, da eine deutliche zonale Strömungskomponente wirken kann. Charakteristische Großwetterlagen dieser Zirkulationsform sind die Südwest- und die Nordwestlagen. Zudem zählen auch die Großwetterlagen "Hoch Mitteleuropa" und "Tief Mitteleuropa" zur gemischten Zirkulationsform.
Doch was bedeutet all dies quasi im Kleinen vor Ort? Nehmen wir als Beispiel die Station Frankfurt (Main) und den Sommer 2023. Nun kann man eine Art Statistik erstellen. Man zählt die Sommertage (Tageshöchsttemperatur gleich oder größer 25 Grad) und die Hitzetage (Tageshöchsttemperatur gleich oder größer 30 Grad) sowie die Tage, an denen Niederschlag gefallen ist. Dies bringt man dann in den Zusammenhang, ob an diesem Tag eine antizyklonale oder eine zyklonale Großwetterlage vorherrschend war. Eine antizyklonale Großwetterlage bedingt gemeinhin großräumiges Absinken, Wolkenauflösung und in der Folge bleibt es trocken. Bei einer zyklonalen Großwetterlage würde man automatisch von Niederschlag ausgehen. Ganz so einfach ist es natürlich nicht, dennoch lässt sich dem Diagramm tatsächlich eine dementsprechende Tendenz entnehmen. Bei einer antizyklonalen Großwetterlage gab es in Frankfurt (Main) meist einen Sommer- oder Hitzetag ohne Niederschlag. Bei einer zyklonalen Großwetterlage gab es meist Niederlag und die Tageshöchsttemperatur erreichte nicht die 25-Grad-Marke. Trotzdem gab es beispielsweise mehr Sommertage mit zyklonaler Großwetterlage, an denen es trocken blieb.
Man sieht also durchaus, dass man manchmal doch vom Großen auf das Kleine schließen kann.
M.Sc. Tanja Sauter
Deutscher Wetterdienst