Die Smigielski ? Mogil ? Burt Vorhersagetechnik für außertropische
Tiefdruckgebiete
Nicht nur in den Tropen, sondern auch in den Außertropen kann man anhand von einzelnen Satellitenbildern die Intensität eines außertropischen Tiefdruckgebietes abschätzen. Das heutige Thema des Tages soll einen kleinen Einblick in diese Vorhersagetechnik gewähren.
Im Thema des Tages vom 04.02.2023 wurde bereits eine Vorhersagetechnik vorgestellt, mit der man anhand von Satellitenbildern die Intensität tropischer Stürme ermitteln kann. Dabei zeigte sich, dass diese Technik ihre Stärken und Schwächen hat, jedoch bis heute trotz des Fortschritts in der Vorhersagetechnik nicht aus dem operationellen Dienst wegzudenken ist.
Heute soll eine davon abgewandelte Technik vorgestellt werden, die zwar in den Außertropen bei weitem nicht so häufig im operationellen Dienst angewandt wird, wie die Dvorak Technik in tropischen Gefilden, doch auch sie hat ihre Bewandtnis und Stärke. Der Fokus dieser Technik liegt auf der Intensitätsbestimmung der uns bekannten Herbststürme u.a. im Nordatlantik. Es handelt sich um die sogenannte ?Smigielski ? Mogil ? Burt Vorhersagetechnik, kurz: SMB Technik.
Sie wurde in den 80-iger Jahren entwickelt und somit zu der Zeit, wo Herr Dvorak mit seiner Vorhersagetechnik beim Vorhersagedienst in (sub)tropischen Bereichen immer mehr an Beachtung gewann. In der Tat wurden einige Ansätze der Dvorak-Vorhersagetechnik mit eingebaut und verschmolzen mit Beobachtungen u.a. von Junker und Haller. Diese beiden Meteorologen versuchten bereits 1980 eine sinnvolle Abschätzung des Bodendrucks an Hand von bestimmten Wolkenmustern im Satellitenbild zu erstellen. Die SMB Technik kann daher als eine Verschmelzung des Wissens von unterschiedlichen Meteorologen und Vorhersagegebieten angesehen werden.
Der Nutzen dieser Technik liegt damals wie heute auf der Hand: die Meere sind vergleichsweise datenarme Regionen mit Blick auf reale Messungen. Natürlich werden mittlerweile alle Bereiche mehr oder weniger häufig von Satellitenmessungen abgedeckt, die jedoch ebenfalls ihre (Mess)Unschärfen haben. Viele dieser Messungen finden zudem auf polarumlaufenden Satelliten statt, die einen vergleichsweise kleinen Bereich mit sehr geringer zeitlicher Auflösung abdecken. Schiffe, die Meldungen vom aktuellen Wetter übermitteln könnten, meiden verständlicherweise die Regionen, wo es für uns Meteorologen erst so richtig spannend und interessant wird bzw. wo sich innerhalb der Numerik durch erhöhte Ungenauigkeiten numerische Fehler entwickeln können. Die SMG Technik erlaubt es einem Meteorologen mit vergleichsweise geringem Aufwand ggf. diese Lücken zu überbrücken.
Nach der Durchsicht von Satellitenbildern von mehr als 60 Winterstürmen zwischen Oktober und April auf der Nordhemisphäre ergab sich ein einheitlicher Ablauf, wo grob gesagt eine Zunahme mehrschichtiger Bewölkung um ein Tiefzentrum (verstärkte hochreichende Hebung) sowie eine zunehmende Krümmung dieser Bewölkung für eine Intensivierung des Tiefdruckgebiets sprach. Verifiziert wurde die Technik mithilfe jedmöglicher Daten, die in der Nähe oder zentrumsnah ermittelt wurden (Bojen, Schiffsmeldungen, Landstationen etc.). Anhand dieser Daten und physikalisch nachvollziehbaren Extrapolationen konnte man sehr häufig die durch die SMB Technik ermittelten Werte verifizieren bzw. falsifizieren. Um nicht die Auswertung der SMB Technik zugunsten dieser Stationen zu verfälschen, fand der Werteabgleich zwischen Messung und SMB Technik erst nach deren Durchführung statt.
Die grobe Annahme in dieser Technik ist die, dass wenn sich ein Tiefdruckgebiet entwickelt, sich dieses nach einem nachvollziehbaren Muster bis zum Reifestadium weiterentwickelt. Dank dieser Annahme war es nun auch möglich u.a. Entscheidungsbäume zu erstellen, die man in der Folge an jedem außertropischen System anwenden konnte. Ein solcher wurde mal eingefügt.
Ohne jetzt zu tief in die Handhabe dieser Technik einsteigen zu wollen, so fällt auf, dass einer bestimmten Wolkenstruktur des Tiefdruckgebietes ein entsprechender Luftdruckwert (mittig im Bild und rot umrandet) zugeordnet wurde. Je besser der Wolkenwirbel ausgeprägt ist, umso tiefer wird dessen Kerndruck angesetzt.
Auch hier ist das Hauptwerkzeug die sogenannte ?logarithmische Spirale?, mit der bei der Dvorak-Technik das Ausmaß der gekrümmten Konvektionsbänder für die Intensitätsbestimmung bei tropischen Stürmen ermittelt wird. Wie bereits erwähnt, deutet die Krümmung der Bewölkung auch bei den außertropischen Tiefdruckgebieten eine Intensitätsänderung an. Je stärker gekrümmt, umso intensiver das System, weshalb auch hier eine Verwendung diese Spirale möglich ist. Je stärker das Tiefdruckgebiet ist, umso größer sind die Werte der Vorticity (siehe Thema des Tages vom 11.09.2020) und umso besser bilden sich bestimmte Wolkenstrukturen aus, die um das Zentrum des Sturms angeordnet und repräsentativ für die Intensität des Tiefs sind. Natürlich ist das nur ein Teil der Geschichte/SMB Technik, aber bereits ausreichend, um sich an ein Beispiel heranzuwagen.
Schauen wir uns mal einen Wetterfall an, der vor wenigen Wochen im September dieses Jahres auftrat. Am 27.09. entwickelte sich über dem östlichen zentralen Nordatlantik ein kräftiges Sturmtief, das in der Folge unter Abschwächung nach Irland zog und auf den Namen KILIAN (int. AGNES) getauft wurde. Betrachten wir nun mal die von unterschiedlichen Wetterdiensten durchgeführte Intensitätsabschätzung zum 00Z Termin für diesen Tag, so wurden Werte von 968 hPa, 970 hPa und 980 hPa analysiert. Kann hier die SMB Technik etwas Licht ins Dunkle bringen, wer hier näher an der vermeintlichen Wahrheit lag? Das Satellitenbild sollte helfen.
Im Bild links und in der Mitte ist das Wasserdampfbild abgebildet, wobei das linke Bild die oberen Bereiche und das mittlere die tieferen Bereiche der Troposphäre zeigt. Je roter/schwärzer, umso trockener ist die Luftmasse. Rechts ist das RGB Wolken Tag und Nacht Bild eingebaut. Je weißer die Farbe, umso hochreichender (vereister) ist die Bewölkung.
Es ist eindrücklich zu erkennen, dass KILIAN zu diesem Zeitpunkt ein veritables Sturmtief war, denn besonders im rechten Bild erkennt man einen wunderschönen Wolkenkringel. Wenden wir nun die SMB Technik an.
Dazu setzen wir die logarithmische Spirale auf das Satellitenbild und rotieren sie so lange, bis sie alle wichtigen Bereiche abdeckt. Anschließend muss man nur noch die Zehntel der Spirale abzählen zwischen dem Beginn des gekrümmten Wolkenkringels (in der Meteorologie dank seines Aussehens als der ?Hammerkopf? bezeichnet) und dem Bereich, wo sich die Spirale dem rückseitigen Ende des baroklinen Bandes parallel nähert. In diesem Fall können wir auch die Vorderseite des Bandes nehmen, dank seiner parallelen Ausrichtung. Nun erhalten wir einen Wert von 7.5 Zehntel und wenn man das mit dem Entscheidungsbaum abgleicht (rechts oben) kommen wir auf rund 970 hPa (abzüglich 1 oder 2 hPa, da der Kommakopf weiter anwächst und sich dem 8 Zehntel nähert). Von daher ist eine Intensitätsabschätzung von rund 970 hPa sehr plausibel und wurde gegen 11 Uhr MESZ von der Boje K2 mit etwas unter 970 hPa bestätigt (zu dem Zeitpunkt bereits wieder auffüllend).
Wofür ist diese Technik heutzutage also noch gut? Zunächst muss man im Hinterkopf behalten, dass die Technik trotz ihrer Stärken nur eine Näherung darstellt und in einigen Fällen auch versagen kann (wenn z.B. eine Tiefdruckentwicklung nicht nach einem typischen Schema abläuft). Im besten Fall kann man sein Ergebnis mit realen Messwerten vergleichen und ggf. den abgeschätzten Wert anpassen. Die Stärke dieser Technik, auch in der heutigen, technisch beinahe schon überfrachteten Zeit, ist aber vor allem in der einfachen Handhabung zu finden, denn mit nur einem Bild und dem Wissen der bisherigen Entwicklung lassen sich recht schnell gute Intensitätsabschätzungen erzielen. Selbst heute kann man dann z.B. abschätzen, inwieweit die Realität im Satellitenbild mit der numerischen Interpretation übereinstimmt und inwieweit den numerischen Vorhersagen zu trauen ist. Vor allem für marine Vorhersagen/Schiffsberatungen in datenarmen Bereichen ist diese Vorhersagetechnik von daher sicherlich von Interesse, insbesondere wenn auf den Schiffen nur eine begrenzte Datenübermittlung möglich ist.
Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst