Die besonderen Reize des Oktobers
Mit dem heutigen Tag beginnt, neben den Frühlingsmonaten, einer der wandlungsfähigsten und stimmungsvollsten Monate des Jahres. Die Natur bietet vor dem Winter nochmal eine Vielzahl an optischen Reizen auf, die durchaus auch mit einem physikalischen Blick gewürdigt werden dürfen.
Im Oktober lohnt ein ausgiebiger Spaziergang in der Natur eigentlich immer. In erster Linie können dabei natürlich die Veränderungen der Natur mit der fortschreitenden Blattfärbung bestaunt werden, zum anderen gibt es aber auch lokal auftretende Effekte zu beobachten. Ein solcher ist der sogenannte "Seerauch", der in den kommenden Wochen, zumindest aus klimatologischer Sicht, häufiger auftreten wird.
Dabei steigen Fragmente von Nebelschwaden von der Seeoberfläche auf und verschwinden anschließend relativ schnell wieder. Der sich daher ständig bewegende Seerauch ist eine besondere Nebelform und gehört zur Klasse der Verdunstungsnebel. Wenn relativ warmes Wasser mit deutlich kälterer Umgebungsluft in Berührung kommt, resultieren daraus nämlich Verdunstungseffekte. Einer dünnen Luftschicht über dem See wird dabei unter Erwärmung Wasserdampf zugeführt. Damit einhergehend findet aber gerade über den größeren Seen auch eine starke Labilisierung der untersten Atmosphärenschicht statt, denn die nun erwärmte Luft steigt auf und mischt sich mit der relativ dazu kälteren Umgebungsluft. Bei diesem Mischungsvorgang kondensiert der Wasserdampf und der Seerauch entsteht. Besonders während des Sonnenaufgangs kann dadurch eine eindrucksvolle Szenerie entstehen. Da die kalte, trockenere Luft aber deutlich überwiegt, folgt beim weiteren vertikalen Aufsteigen der feuchten Luft rasch wieder die Verdunstung der Wassertröpfchen. Daher entsteht aus Seerauch in vielen Fällen auch kein "richtiger" Nebel.
Allerdings können tiefliegende Inversionen dafür sorgen, dass die dünne Luftschicht darunter langsam mit erhöhter Feuchte angereichert wird. Bei einem sehr großen See mit einem großen Wasserdampfangebot passiert es dann ab und zu, dass es zur erneuten Kondensation kommt. Die Inversion als atmosphärische Sperrschicht verhindert nun aber das weitere Aufsteigen der Luftpakete und damit die Einmischung von kalter, trockener Luft. Infolgedessen entsteht eine dünne (Hoch-) Nebelschicht, die aber in den ersten Oktobertagen mit Hilfe der Sonneneinstrahlung im Tagesverlauf häufig doch noch aufgelöst wird.
Doch wie schauen nun die Bedingungen für das Entstehen von Seerauch in den nächsten Tagen aus? Dabei lohnt ein Blick auf die aktuellen Wassertemperaturen der Seen. Der außergewöhnlich warme September (wärmster September seit Aufzeichnungsbeginn) sorgte dafür, dass auch die heimischen Seen meist eine überdurchschnittliche Wassertemperatur aufweisen. Am Starnberger See, Chiemsee und Bodensee werden am heutigen Tag Werte von knapp unter 20 Grad gemessen (Quelle: Bayerisches Landesamt für Umwelt) und auch die Temperaturen der Müritz liegen nicht weit darunter. Damit wäre die erste Zutat für die Entstehung von Seerauch jedenfalls gegeben.
Allerdings mangelt es aktuell an der erforderlichen zweiten Randbedingung: eine Luftmasse polaren oder subpolaren Ursprungs ist zunächst nicht in Reichweite. Aktuell dominiert das Hochdruckgebiet SONJA über Mitteleuropa und sorgt dabei für eine durchwegs warme, stellenweise auch sommerliche Witterung. Am Montag verlagert sich dieses Hoch mit seinem Schwerpunkt ostwärts und macht dabei die Bahn frei für den Zustrom noch wärmerer Luft aus dem westlichen Mittelmeerraum. Im Süden und der Mitte werden am Montag bei viel Sonnenschein Höchstwerte zwischen 24 und 29 Grad erreicht, im Norden sind des immerhin 20 bis 23 Grad. Es ist nicht ausgeschlossen, dass im äußersten Südwesten die Marke von 30 Grad örtlich knapp übertroffen wird.
Am Dienstag mischt sich vorübergehend ein kleines Tief, das von England nach Südschweden zieht, in das mitteleuropäische Wettergeschehen ein. Mit der dazugehörenden Kaltfront strömt zwar deutlich kühlere Meeresluft heran, aber diese kommt zunächst aufgrund des deutlich auffrischenden Windes nicht zur Ruhe. Am Beginn der zweiten Wochenhälfte folgt schließlich eine weitere Kaltfront. Der Blick in die Mittelfrist zeigt außerdem, dass zum kommenden Wochenende der Temperaturtrend wieder deutlich nach oben zeigt. Daher muss wohl dieses Jahr für die Beobachtung von Seerauch noch etwas Geduld aufgebracht werden.
(Die Bilder zum heutigen Thema des Tages finden Sie wie immer im Internet unter www.dwd.de/tagesthema.)
Mag.rer.nat. Florian Bilgeri
Deutscher Wetterdienst