Wenn der Schirm umklappt, oder: Ein Herbstproblem im Sommer
Dass Regen und Sturm keine gute Kombi sind, wissen vor allem die Regenschirmbesitzer. Ruckzuck klappt das Ding um und man wird pitsche-patsche nass. Warum das so ist? Bernoulli kennt die Antwort!
Eigentlich ein klassisches Thema für den Herbst, denn stürmisches und regnerisches Wetter verbindet man gemeinhin doch eher mit jener Jahreszeit. Da der Sommer in den vergangenen Tagen bzw. Wochen bei manch Einem aber sicherlich auch mal herbstliche Gefühle hervorbrachte, passt das Thema jetzt eigentlich auch ganz gut. Vielleicht ist Ihnen das in letzter Zeit ja auch mal passiert, als Sie draußen mit dem aufgespannten Regenschirm unterwegs waren? Auf einmal kommt ein Windstoß, der Schirm klappt nach oben um und dient nun mehr als Sammelbecken, denn als Regenschutz.
Was physikalisch dahinter steckt, hatte der schweizer Physiker Daniel Bernoulli bereits im 18. Jahrhundert herausgefunden. Grob gesagt, stellte er fest, dass Luft, die an einem bestimmten Ort schneller strömt als in der Umgebung, an diesem Ort einen Unterdruck erzeugt. Dieses bedeutende Phänomen wurde in der Folge nach seinem Entdecker benannt und ist in der Wissenschaft seither als Bernoulli-Effekt bekannt. Der entstehende Unterdruck bewirkt schließlich einen Sog, der Objekte aus der Umgebung ansaugt.
Übertragen wir das mal auf den Regenschirm: Bei Windstille herrscht über und unter dem Schirm derselbe Druck, sodass er in der Folge keine Anstalten macht, seine Form verändern zu wollen. Wird der Regenschirm nun aber vom Wind angeströmt, dann stellt er für den Wind ein Hindernis dar. Um dieses zu umgehen, wird die Luft, die auf den Schirm trifft, über ihn hinweg gelenkt. Ähnlich wie auf einer Autobahn, auf der die Fahrbahn von zweien auf eine verengt wird, verengt sich nun auch der Luftkanal über dem Regenschirm. Die abgelenkte Luft quetscht sich nämlich zu derjenigen, die eh schon über den Schirm weht. Wie in einer Düse wird die Luft nun über dem Schirm beschleunigt (auch bekannt als sog. Venturi-Effekt), im Vergleich zur Umgebungsluft strömt diese dort nun also schneller. Daher (Stichwort Bernoulli-Effekt) nimmt der Druck über dem Schirm ab, wohingegen er unter ihm nahezu gleichbleibt. Da ist er nun, der oben erwähnte Unterdruck! Ist dieser stark genug, klappt der Regenschirm letztendlich nach oben um.
Derselbe Effekt ist übrigens unter anderem auch dafür verantwortlich, dass bei schweren Stürmen Hausdächer abgedeckt werden oder Flugzeuge fliegen können (Unterdruck über den Tragflächen). Den Bernoulli-Effekt können Sie auch problemlos selbst ausprobieren. Halten Sie beispielweise zwei Blätter Papier so, dass sich die beiden Blattflächen "anschauen" und voneinander ein paar Zentimeter entfernt sind. Pusten Sie nun von oben zwischen die beiden Blätter, nähern sich die unteren Papierenden einander an und werden nicht, wie man vielleicht denken würde, auseinander gedrückt. Oder falls Sie stolzer Besitzer eines Tischtennisballs und eines Föns sind, föhnen Sie einfach mal senkrecht nach oben und legen den Tischtennisball in den Fönstrahl. Der Ball bleibt nun in diesem Strahl gefangen, selbst wenn Sie den Fön leicht kippen.
In diesem Sinne: Viel Spaß beim Experimentieren!
Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst