Aerosole in der Wettervorhersage
Aerosole in der Atmosphäre mit verschiedener Herkunft bergen Unsicherheiten für die Wettervorhersage. Darauf soll kurz eingegangen werden.
Numerische Wettervorhersagemodelle (NWV) werden mehrmals täglich in großen operationellen Vorhersagezentren gerechnet. Das Grundkonzept der Numerische Wettervorhersage besteht darin, einen komplexen Satz mathematischer Gleichungen zu lösen, die die atmosphärische Dynamik und die physikalischen Erhaltungssätze einschließlich Masse, Impuls und Energie ausdrücken. In NWV-Modellen werden partielle Differentialgleichungen zeitlich progressiv gerechnet, um zukünftige atmosphärische Zustände zu erhalten, wobei wegen der enormen Datenmengen hauptsächlich Supercomputer eingesetzt werden. Die Fortschritte der Numerische Wettervorhersage in den letzten Jahren und Jahrzehnten lassen sich einerseits auf das bessere Verständnis von physikalischen Schlüsselprozessen sowie deren numerische Parametrisierung, andererseits auch auf die rasche technologische Entwicklung in Bezug auf Rechenleistung, Datenerfassung und auch Datenassimilation zurückführen.
Atmosphärisches Aerosol, das aus lichtabsorbierenden Komponenten wie schwarzem Kohlenstoff und streuenden Komponenten wie Sulfat besteht, stammt aus primären anthropogenen und natürlichen Emissionen und wird durch sekundäre chemische Umwandlungen gebildet. Aerosole beeinflussen das Wetter und das Klima direkt durch die Streuung und Absorption von Strahlung und indirekt durch die Veränderung der mikrophysikalischen Eigenschaften von Wolken, wodurch sie eine kühlende oder auch erwärmende Wirkung auf den Planeten haben können. Fallstudien haben gezeigt, dass Aerosol einer der wichtigsten Faktoren ist, der die Wettervorhersage beeinflussen kann. So kann anthropogenes Aerosol die Menge des Sonnenlichts, die den Boden erreicht, verringern und damit in dicht besiedelten Regionen zu einer lokalen Abkühlung führen. Aerosol aus der Verbrennung von Biomasse (siehe Thema des Tages vom 28.06.23 über die Rauchwolke der Waldbrände aus Kanada: https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2023/6/28.html), das eine große Menge an lichtabsorbierendem schwarzem Kohlenstoff enthält, verringert die Sonneneinstrahlung, die die Erdoberfläche erreicht, und erwärmt gleichzeitig die umgebende Luft, wodurch sich die Temperaturschichtung in der Atmosphäre verändern kann.
In Klimamodellen ist Aerosol bereits als eine der größten Unsicherheitsquellen anerkannt. Die große Bedeutung der nahtlos integrierten Chemie-Meteorologie-Modellierung wird jedoch in den NWV-Modellen weniger berücksichtigt als traditionell bei der Klimamodellierung. Die meisten gängigen operationellen NWV-Modelle lösen die Aerosolprozesse nicht explizit auf. Letztere nutzen vielmehr oft klimatologische Aerosolverteilungen und -konzentrationen mit grober räumlicher und zeitlicher Auflösung, um den Rechenaufwand überschaubar zu halten. Im Gegensatz zu Treibhausgasen ist Aerosol jedoch auch ein kurzfristiger Wetter- und Klimatreiber, der sich durch große räumliche Heterogenität und erratische Fluktuation auszeichnet, so dass eine klimatologische Näherung nicht in der Lage ist, die zeitlich veränderlichen Auswirkungen von Aerosol auf die Wettervorhersage gut darzustellen. Neben den hohen Rechenkosten für die integrierte Chemie-Meteorologie-Modellierung sind die Hauptgründe für die weniger ausgefeilte Behandlung von Aerosol auch darin zu sehen, dass operationelle NWV-Modelle dank der raschen Fortschritte bei der Datenassimilation eine viel bessere Leistung erreicht haben. So können Lücken einiger fehlender Prozesse, wie z.B. Aerosol, potenziell geschlossen werden. Anhand von Analysen (Beobachtung gegen Vorhersage), verfügbaren Messungen und der Modellsimulationen wurde in Studien festgestellt, dass die Verzerrung der Lufttemperaturvorhersage in vielen Regionen mit verschiedenen Aerosolarten zusammenhängen könnte. Auch die rasante Entwicklung der NWV-Modelle, die rasche Entwicklung von Hochleistungscomputern und die umfangreichen Beobachtungen, die für die Datenassimilation zur Verfügung stehen, ändern daran nur wenig. Die Verzerrungen bei der Vorhersage der Lufttemperatur sind in den Vertikalprofilen und auch in den jahreszeitlichen Schwankungen für verschiedene Arten von Aerosol über verschiedenen Untergründen (Oberflächen) unterschiedlich. Im Allgemeinen macht sich der Verdunkelungseffekt von Aerosol in Regionen mit hoher Aerosolbelastung über dem Land bemerkbar. Beispiele dafür sind Indien und China mit starkem anthropogenen Aerosol und Teile Afrikas mit starkem Rauch und Staub, oder auch Regionen mit starken Aerosol-Wolken-Wechselwirkungen, z. B. im rauchigen Amazonasgebiet und in den durch Biomasseverbrennung verstärkt gebildeten niedrigen Wolken im südlichen Atlantik. Die Erwärmungseffekte von Aerosolen sind komplexer, insbesondere in abgelegenen Gebieten und auf den Ozeanen, wo entweder die Wechselwirkung zwischen Aerosol und Strahlung oder die Wechselwirkung zwischen Aerosol und Wolken eine wichtige Rolle spielen könnte. Langfristig besteht die ultimative Lösung jedoch in der Entwicklung und Anwendung weiterer operationeller NWV-Modelle, die die physikalischen und chemischen Prozesse des Aerosols vollständig beschreiben, sowie in der Kopplung einer detaillierten Charakterisierung ihrer räumlich-zeitlichen Variationen. Beispiele für die Umsetzung einer besseren Simulierung von Effekten der "Aerosol-Wolken-Niederschlag"-Wechselwirkung sind u.a. die Forschungen im Rahmen des SINFONY-RUC-Modells beim DWD (https://www.dwd.de/DE/forschung/forschungsprogramme/sinfony_iafe/sin fony_node.html).
Dipl.-Met. Dr. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst