Der meteorologische Sommer hat begonnen!
Da nun - meteorologisch gesehen, wieder die Sommerwetterzeit begonnen hat, ist ein Ausblick darauf, was uns erwartet, an dieser Stelle wohl erlaubt.
Der meteorologische Sommeranfang zeigt sich gerade in der Mitte und im Süden von seiner sonnigen, vor allem im Osten und Nordosten schon seit geraumer Zeit erneut von seiner anhaltend trockenen Seite. In diesem Zusammenhang drängt sich die Frage auf, was wir in Deutschland wetter- und witterungstechnisch von den bevorstehenden drei Sommermonaten zu erwarten haben.
Zu Beginn sei auf die aktuelle Mittelfristvorhersage verwiesen, die 7 bis 10 Tage in die Zukunft schaut, manchmal auch mit Trendangaben bis zu Tag 15. Ab diesem Zeitpunkt würde man dann allerdings schon vom subsaisonalen Bereich der Wettervorhersage sprechen, wobei diese Steilvorlage als Überleitung zu saisonalen Klimavorhersagen geeignet ist. Saisonale Klimavorhersagen geben eine Prognose darüber ab, mit welcher Wahrscheinlichkeit die kommenden Monate wärmer/kälter oder auch trockener/feuchter als im langzeitlichen Mittel werden. Die Kombination von numerischen Vorhersagen für die zukünftige Periode mit zusätzlichen Vorhersagen aus der Vergangenheit erlaubt eine gewisse statistische Bewertung der Prognosen und die Ableitung von Trendaussagen auf Basis einer Klimatologie. Im Thema des Tages vom 11.05.23 wurde die aktuelle saisonale Wettervorhersage bereits ausführlich seziert, einschließlich Verweis auf die Copernicus-Seite (Multimodellvorhersage mit schöner Zusammenfassung der Highlights). Schaut man auf die prognostizierte mittlere Luftdruckverteilung auf Meereshöhe über die drei Sommermonate, fällt - unabhängig von im Sommer oft schwächeren Luftdruckgegensätzen - doch ein gewisses Muster auf, nämlich die erhöhte Wahrscheinlichkeit für höheren Luftdruck über dem östlichen Nordatlantik und Teilen Skandinaviens. Demgegenüber stehen relativ deutliche Signale für tieferen Luftdruck über Süd- und Südwesteuropa. Diese Konstellation entspräche für den Index der Nordatlantischen Oszillation (kurz NAO-Index) wohl eine (leicht) negative Abweichung.
Soweit so gut, aber was heißt Letzteres nun etwas konkreter für die zu erwartenden (mittleren) Witterungsverhältnisse bzw. mögliche Wettermuster über die Sommermonate für den atlantisch-europäischen Wetterraum und speziell für Mitteleuropa?
?NAO negativ? bedeutete eine nach Süden verschobene Frontalzone im atlantischen Sektor (teilweise Verbindung von Subpolar- und Subtropen-Jet), bis in den zentralen Mittelmeerraum reichend. Demgegenüber haben wir prognostizierte positive Luftdruckabweichungen im östlichen Mittelmeerraum bis zum Schwarzen Meer und Kleinasien. Damit steigt vom zentralen-östlichen Mittelmeerraum bis nach Kleinasien das Risiko markanter Hitzewellen (vergleich Hitzewelle in großen Teilen des Mittelmeerraums in 2019 bei damals ebenso NAO negativ).
Positive Luftdruckabweichungen erkennt man auch vom östlichen Nordatlantik bis nach Skandinavien, mit entsprechend simulierter positiver Temperaturabweichung in diesen Bereichen.
Für Mitteleuropa bestünde somit eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für insgesamt (leicht) zu warme Verhältnisse, bei wohl insgesamt häufigeren Großwetterlagen (GWL) mit nordwestlichen oder nördlichen Strömungsverhältnissen - zyklonal oder antizyklonal ausgepägt würde letzteres auch im Mittel eher normale bis (leicht) zu niedrige Niederschlagsmengen für Mitteleuropa bedeuten. Bei möglichen Blockierungen im Bereich Nordmeer/Skandinavien hingegen bestünde bei nordöstlichen bis östlichen Strömungsverhältnissen und dem Zustrom von überwiegend trockener Festlandsluft gerade für die Nordosthälfte das Risiko längerer trockenerer Perioden.
Im Tagesthema vom 11.05.23 wurden bereits mögliche Ursachen dieser persistenten Blockierungslagen (einschl. Spurensuche bei der Frühjahrszirkulation) untersucht. Letztendlich sind aber Langfristvorhersagen immer mit Vorsicht zu genießen, da diese lediglich einen mittleren Zustand der atmosphärischen Bedingungen beschreiben. Abweichungen davon, auch über einen längeren Witterungsabschnitt sind daher durchaus möglich.
Dipl.-Met. Dr. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst