Der nächste Sommer kommt bestimmt, oder?

In diesem Frühjahr überwiegt der Eindruck von nassem und insgesamt auch eher kühlem Wetter. Was bringt uns nun der kommende Sommer? Dazu werden aktuell vorliegende saisonale Vorhersagen diskutiert.

Saisonale Klimavorhersagen geben eine Prognose darüber ab, mit welcher Wahrscheinlichkeit die kommenden Monate wärmer/kälter oder auch trockener/feuchter als im langzeitlichen Mittel werden. Die Kombination von numerischen Vorhersagen für die zukünftige Periode mit zusätzlichen Vorhersagen aus der Vergangenheit erlaubt eine gewisse statistische Bewertung der Prognosen und die Ableitung von Trendaussagen auf Basis einer Klimatologie. Damit unterscheiden sich die saisonalen Klimavorhersagen grundlegend von der Wettervorhersage, welche Aussagen über detailliertes Wettergeschehen der nächsten Stunden bis Tage trifft.

Bei einer Prognose über einen Zeitraum von mehreren Monaten sind zudem alle "Akteure" des Klimasystems zu berücksichtigen: nicht nur die untere Schicht der Atmosphäre (die Troposphäre, vom Boden bis circa 9-16 km Höhe), sondern auch höhere Luftschichten (v.a. im Winterhalbjahr die Stratosphäre, in etwa 15 bis 50 km Höhe), der Boden sowie der Ozean und das Meereis. Für die saisonale Klimavorhersage wird ein mit all diesen Komponenten gekoppeltes Klimamodell genutzt.

Eine prägnante Zusammenfassung der aktuellen saisonalen Wettervorhersage (so genannte Multimodellvorhersage, also unter Beteiligung einschlägiger globaler Wettermodelle) befindet sich auf folgender Seite: copernicus.eu

Für Mitteleuropa wird demnach ein (leicht) zu warmer Sommer simuliert, mit normalen, nach Süden hin leicht erhöhten Niederschlagssignalen. Schaut man auf die prognostizierte mittlere Luftdruckverteilung in Meereshöhe über die drei Sommermonate, fällt - unabhängig von im Sommer oft schwächeren Luftdruckgegensätzen, doch ein gewisses Muster auf - die erhöhte Wahrscheinlichkeit für höheren Luftdruck über dem östlichen Nordatlantik und Teilen Skandinaviens, demgegenüber relativ deutliche Signale für tieferen Luftdruck über Süd- und Südwesteuropa (deutlich südlicher verlaufende Frontalzone mit häufig kombiniertem Subpolar- und Subtropen-Jet im Atlantiksektor). Diese Konstellation entspräche für den Index der Nordatlantischen Oszillation (kurz NAO-Index) wohl eine (leicht) negative Abweichung.

Letzteres erinnert nicht ganz zufällig an den überwiegend negativen NAO-Index im März 2023 als troposphärische Reaktion (schwächerer Nordatlantik-Jet) auf das Major-Warming in der mittleren und oberen arktischen Stratosphäre vom 16.02.2023.

Demzufolge könnte die Stratosphären-Troposphären-Kopplung im Frühjahr als Prädiktor Aufschlüsse geben zur sommerlichen Zirkulation, wie neue Studien nahelegen. Dabei wird zur Vorhersage der sommerlichen Nordatlantischen Oszillation (SNAO) mit der Erfahrung bzw. Statistik der letzten Jahrzehnte (Hindcast oder nachträgliche Vorhersage mit Klimadaten) agiert. Der primäre Prädiktor ist die Ausprägung des Nordatlantischen Jetstreams (vereinfacht über den NAO-Index ausgedrückt) im März, die mit dem Index der sommerlichen nordatlantischen Oszillation (SNAO) mit einem Korrelationskoeffizienten von 0,66 über den Zeitraum 1979-2018 korreliert hat. Diese doch recht gute Korrelation könnte also die aktuelle Sommerprognose unterstützen. Im Sommer 2022 gab es hingegen eine umgekehrte Korrelation, d.h. NAO positiv im März (stark ausgeprägter Nordatlantik-Jetstream, gestützt u.a. durch einen starken stratosphärischen Polarwirbel, SPV) führte zu SNAO positiv in den Sommermonaten, klassischerweise mit getrennt verlaufenden Subtropen- und Subpolar-Jets im Atlantiksektor. Die Überlegungen dazu sind in diesem Tagesthema näher erläutert im Thema des Tages vom 19.05.2022. Somit könnte die Kopplung zwischen Stratosphäre und Troposphäre im Frühjahr (z. B. nach einer finalen oder späten Stratosphärenerwärmung im Spätwinter) eine wichtige Rolle bei der erweiterten Vorhersagbarkeit vom Frühjahr bis in den Sommer hineinspielen. Im Gegensatz dazu herrscht die allgemeine Erkenntnis, dass die Auswirkungen dieser dynamischen Kopplung außerhalb der Wintersaison relativ inaktiv sind. Derartige Ergebnisse können die sommerliche saisonale Vorhersage des nordhemisphärischen Klimas unterstützen, was vor allem dem Energiesektor, aber auch der Land- und Wasserwirtschaft zugutekommt.

Dipl.-Met. Dr. Jens Bonewitz

Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 11.05.2023

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