Nach dem verheerenden Tornadoausbruch in den USA am vergangenen Monatswechsel steht der nächste bereits vor der Tür - in etwa derselben Region. Mehr dazu lesen Sie im heutigen Thema des Tages.
Zahlreiche Tornados sorgten am vergangenen Freitag und in der Nacht zum Samstag in Teilen des Südens und Mittleren Westens der USA für Verwüstungen, viele Verletzte und leider auch 26 Tote. Besonders betroffen davon waren ein Bereich von Iowa über Illinois bis Indiana und ein weiterer von Arkansas über den Norden Mississippis und den Südwesten Tennessees bis in den Norden Alabamas.
Insgesamt gingen 116 Tornadomeldungen beim Storm Prediction Center (SPC) des US-Wetterdienstes ein, wobei die tatsächliche Anzahl durch Mehrfachsichtungen ein- und desselben Tornados etwas niedriger liegt. Tatsächlich geht man derzeit von mindestens 104 Tornados aus. Zehn davon wurden dabei aufgrund der aufgetretenen Schäden der Kategorie EF3 zugeordnet, was einem Windgeschwindigkeitskorridor zwischen 218 und 266 km/h entspricht (Rotationsgeschwindigkeit wohlgemerkt). Ein Tornado, der über dem Südosten Iowas eine Schneise der Verwüstung hinterließ, wurde sogar als "schwacher" EF4 klassifiziert. Er existierte eine Stunde lang und legte dabei bemerkenswerterweise knapp 70 km zurück. Abbildung 1 zeigt die beim SPC eingegangenen Tornadomeldungen als rote Punkte markiert (in blau Sturm- und Orkanböen, in grün Hagel).
Wie kam es zu diesem Outbreak (deutsch: Ausbruch)? Am Donnerstag (30.04.) entwickelte sich am Ostrand der Rocky Mountains (etwa über Colorado) ein Tief, das sich rasch zum Sturmtief mauserte und ost-nordostwärts Richtung Große Seen zog. Auf seiner Ostflanke wurde sehr feuchte und instabile Luft vom Golf von Mexiko bis weit in den Mittleren Westen der USA transportiert. Ein weiteres, in höheren Luftschichten vorhandenes Tief verlagerte sich gleichzeitig von den Rockies ostwärts. Es lieferte den nötigen Impuls zur Hebung dieser energiegeladenen Luftmasse, was die Entstehung kräftiger Gewitter zur Folge hatte. Aufgrund der zusätzlich starken Windscherung (Drehung und Zunahme der Windgeschwindigkeit mit der Höhe) konnten sich diese schnell zu Superzellen organisieren, die diese Vielzahl an Tornados hervorbrachten.
Das SPC lieferte bereits am 26.03. erste Hinweise, dass es zum Monatswechsel in einem Bereich zwischen Iowa und Illinois im Norden und Osttexas und Nordlouisiana im Süden ordentlich zur Sache gehen könnte. Am 29.04. gab das SPC ein Enhanced Risk, also ein erhöhtes Unwetterrisiko für die gefährdeten Regionen heraus (Gefahrenstufe 3 von 5), was am nächsten Tag in zwei Bereichen auf ein Moderate Risk erhöht wurde (Stufe 4 von 5). Am Tag des Ausbruchs stufte das SPC die Tornadogefahr insgesamt noch etwas größer ein als zuvor, was in einem großflächigen Moderate Risk und in zwei kleinen Bereichen sogar in einem High Risk (Stufe 5 von 5) mündete. Vergleicht man die prognostizierten Gefährdungsbereiche mit den eingegangen Unwettermeldungen, so stimmen beide Regionen ziemlich gut miteinander überein. Mehr oder weniger ein Volltreffer!
Ein Blick in die Klimatologie zeigt, dass Tornados im März in den betroffenen Regionen durchaus keine Seltenheit sind (Abbildungen 3 und 4). Im langjährigen Mittel (1997 bis 2021) kommt es dort zu etwa drei bis fünf Tornados pro Staat. Im April sind es dann bereits sieben bis 14 Stück. Dass sich Einzelereignisse aber grundlegend vom Mittel unterscheiden können, zeigte dieser Ausbruch eindrucksvoll. Im US-Mittel treten im März 84, im April 187 Tornados auf. Der vergangene Ausbruch zählte, wie bereits geschrieben, mindestens 104 Tornados und liegt damit also deutlich über dem Märzmittel.
Und am heutigen Dienstag droht bereits der nächste Tornadoausbruch. Das SPC gab vor allem in einem Streifen von Arkansas bis nach Iowa und Illinois ein Enhanced Risk und für zwei kleine Bereiche von Südost-Iowa bis nach Nordwest-Illinois sowie von West-Arkansas bis nach Süd- Missouri ein Moderate Risk aus (siehe Abbildung 5). Erinnerungen werden wach, denn damit stehen fast dieselben Regionen wie wenige Tage zuvor im Fokus. Bleibt zu hoffen, dass es dieses Mal bei rein materiellen Schäden bleibt oder zumindest keine Todesopfer zu beklagen sind.
Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst