Wie wird der Winter?
Während sich der ein oder andere im Oktobersommer sonnt, gibt es im heutigen Tagesthema einen Blick darauf, wie sich die Winter statistisch gesehen entwickelt haben.
Wie wird der Winter?
Selten wurde dem bevorstehenden Winter und seiner Ausprägung so sehr mit Spannung oder gar Angst entgegen gesehen wie in diesem Jahr. Wüsste man, wie der Winter 2022/23 wird, könnte man sicherlich viel Geld verdienen. Und auch wenn es manch einer probiert: Niemand weiß, wie er wirklich werden wird. Nach den vielen Mildwintern der vergangenen Jahre, wäre es sicherlich mal wieder an der Zeit für einen richtigen Kaltwinter. Anderseits steht dem die Winterstatistik der zurückliegenden Jahre entgegen. Diese soll im Folgenden etwas näher betrachtet werden. Wenn nicht anders erwähnt, beziehen sich die Betrachtungen dabei auf die drei Wintermonate Dezember bis Februar.
Entwicklung der Frost- und Eistage
Für die nun folgenden Statistiken lohnt ein Blick auf die Homepage des DWD, wo auch die erwähnten Grafiken zu finden sind (https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2022/10/16.html).
Um beurteilen zu können, wie sich die Winter in den zurückliegenden Jahren entwickelt haben, kann man beispielsweise auf die Durchschnittstemperatur schauen. Diese hat sich im Deutschlandmittel im Vergleich der Referenzperioden 1961-1990 (0.2 Grad) zu 1991-2020 (1.4 Grad) um 1.2 Grad erhöht. Betrachtet man die zurückliegenden zehn Winter, liegt die Durchschnittstemperatur sogar bei 2.4 Grad und damit um 2.2 Grad über dem Mittel 1961-1990.
Nun kann man sich auch die Entwicklung der Frost- und Eistage betrachten. Frosttage definieren sich als Tage, an denen die Tiefsttemperatur unterhalb des Gefrierpunktes lag. An allen Stationen lässt sich ein deutlicher Rückgang der Anzahl an Frosttagen zwischen 1961-1990 und 1991-2020 erkennen. Dies lässt sich gut in der Grafik am Beispiel ein paar ausgewählter Stationen sehen. Betrachtet man beispielhaft Frankfurt am Main, so lag die Anzahl der Frosttage 1961-1990 noch durchschnittlich bei 55, während sie 1991-2020 nur noch 44 betrug. Im Vergleich lag die Anzahl im Winter 2021/22 nochmal deutlich niedriger bei nur 35. Im letzten richtig kalten Winter 1996/97 wurden hingegen 49-mal negative Werte gemessen.
Nicht viel anders sieht es bei den Eistagen aus, also Tagen, an denen tagsüber nicht mehr als 0 Grad gemessen wurden. Schauen wir wieder auf Frankfurt, so lag die durchschnittliche Anzahl an Dauerfrosttagen 1961 bis 1990 noch bei 16, 1991 bis 2020 waren es nur noch zehn. Im vergangen Winter ist das Thermometer nicht ein einziges Mal unter 0 Grad Marke verblieben. Im Winter 1996/97 gab es in Frankfurt dagegen 25 Eistage.
Tiefste Minima, Maxima und Kältesumme
Es gibt auch noch andere Maße um die Strenge eines Winters einzuordnen. Eine Möglichkeit ist, zu untersuchen, wie niedrig die kälteste Minimum- bzw. Maximumtemperatur war. Das Beispiel Frankfurt am Main zeigt, dass strenge Nachtfröste, also Minima unter -10 Grad immer seltener werden. Im Zeitraum 1961-1990 lag die kälteste Nacht noch im Schnitt bei -14.2 Grad. Das niedrigste Minimum wurde im Winter 1967/68 mit -21.6 Grad gemessen. 1990 bis 2020 wurde es durchschnittlich nur noch bis -10.9 Grad kalt, im Rückblick der letzten 10 Jahr gar nur -8.2 Grad (2021/22: -6.3 Grad).
Bei den niedrigsten Tagestemperaturen ergibt sich ein ähnliches Bild. 1961-1990 lag diese im Schnitt bei -5.6 Grad, 1991-2020 noch bei -3.8 Grad, in den letzten zehn Jahren gar nur noch bei -2 Grad. Das niedrigste Maximum stammt aus dem Winter 2009/2010 mit -11.1 Grad, am wärmsten war es im Winter 2013/14, als das niedrigste Maximum bei +2.3 Grad lag.
Die Kältesumme eignet sich ebenfalls gut, um die Strenge eines Winters einordnen zu können. Dafür addiert man alle Werte auf, bei denen die Mitteltemperatur (Mittel aus Minimum und Maximum) im negativen Bereich lag. In der Grafik kann man wieder eine Auswahl an Stationen finden. In Frankfurt/Main betrug die Kältesumme im 30-Jahre-Mittel 1961-1990 noch 119 Kelvin, während sie 1991-2020 nur noch bei 64 Kelvin lag. In den zurückliegenden zehn Jahren addierte sich die Kältesumme im Schnitt nur noch auf 30 Kelvin auf. Zum Vergleich, im letzten kalten Winter 1996/97 lag die Kältesumme bei 186 Kelvin, im Eiswinter 1962/63 bei 443 Kelvin (!). Solch einen Winter kann und will sich heute gar niemand mehr vorstellen. Der Winter 2021/22 brachte es in Frankfurt nur noch auf 7 Kelvin und war damit einer der wärmsten Winter seit Aufzeichnungsbeginn.
Frühester und spätester erster Frost im Winterhalbjahr
Zu guter Letzt noch ein Blick auf den ersten und letzten Frost des Jahres. Für ausgewählte Stationen kann man dies in der nachfolgenden Karte betrachten. Dort sind von links oben nach rechts unten jeweils eingetragen der mittlere erste Frost in der Periode 1961-1990, dasselbe für 1991- 2020, der früheste erste Frost und der späteste erste Frost. Für diese Statistik wurde natürlich zusätzlich auch der Herbst mit einbezogen. Beispielhaft sei erneut Frankfurt herausgegriffen. Der erste Frost hat sich im Mittel von 1961-1990 vom 24.10. auf den 27.10. um drei Tage nach hinten verlagert. Den frühesten ersten Frost gab es an einem 16.09.1979, den spätesten am 25.11.2014.
Es lässt sich feststellen, dass nicht an allen Stationen der früheste erste Frost weiter nach hinten verschoben wird. An manchen Stationen gibt es gar keine Veränderung oder das Mittel verschiebt sich sogar zu einem früheren Zeitpunkt. Über die Gründe kann man nur spekulieren. Möglicherweise führen häufigere trockene Luftmassen in den Herbstmonaten dazu, dass es in den schon langen Nächten stärker abkühlt.
Frühester und spätester erster Frost im Winterhalbjahr
Man darf gespannt sein, ob sich der Winter 2022/23 auch in den zunehmenden Erwärmungstrend einfügt, oder ob nach langer Zeit auch mal wieder ein kalter Winter droht. Die saisonalen Vorhersagen des DWD deuten eher auf einen leicht zu milden Winter, die Prognosen des europäischen ECMWF auf ein neutrales Temperaturniveau. Aber selbst ein durchschnittlicher Winter dürfte vielen angesichts der milden vergangenen zehn Winterjahreszeiten als zu kalt vorkommen.
Dipl.-Met. Marcus Beyer
Deutscher Wetterdienst