Historischer Hurrikan IAN Zerstörungen auf Florida
Wir blicken heute zurück auf ein historisches Wetterereignis mit katastrophalen Folgen: Hurrikan IAN verwüstet Teile des US-Bundesstaates Florida.
Dass es irgendwann "krachen" würde, war im Hinblick auf die ungewöhnlich hohen Meeresoberflächentemperaturen im Karibischen Meer und im Golf von Mexiko zu befürchten. Sobald die übrigen, atmosphärischen Voraussetzungen geschaffen werden würden, stünden den sich entwickelnden tropischen Wirbelstürmen ein gewaltiges Energiereservoir zur Verfügung. Dieses Potenzial scheint Hurrikan IAN nun in hohem Maße ausgeschöpft zu haben, zählte er am Ende doch zu den stärksten und verheerendsten Wirbelstürmen, die Florida und die USA je heimgesucht haben.
Am Dienstagmorgen (27. September) Mitteleuropäischer Zeit überquerte IAN den Westen Kubas nach rascher Intensivierung bereits als Hurrikan der dritten Kategorie von fünf mit Windgeschwindigkeiten um 200 km/h und heftigem Starkregen. Schon dort zeigten sich massive Schäden an der Infrastruktur, größere Teile des Landes waren zwei Tage ohne Strom.
Über dem Golf von Mexiko konnte sich IAN dann sukzessive weiter verstärken und erreichte am Mittwochmittag (28. September) seinen Entwicklungshöhepunkt. Er reifte zu einem extrem gefährlichen Hurrikan der vierten Kategorie heran und produzierte bei einem Kernluftdruck von 937 hPa Windgeschwindigkeiten von 250 km/h. Zu diesem Zeitpunkt befand sich IAN schon unmittelbar vor der Südwestküste Floridas. Das Zeitfenster für eine Abschwächung bis zum Landgang, das Meteorologen aufgrund zunehmender Windscherung über dem Südosten der USA im Vorfeld ausgemacht haben, schrumpfte somit auf ein Minimum. Folglich schlug IAN am Mittwochabend gegen 21 MESZ als immer noch zerstörerischer Hurrikan der zweithöchsten Kategorie mit einem Kernluftdruck von 940 hPa und mittleren Windgeschwindigkeiten bis 240 km/h mit fast voller Wucht auf die Küste nahe Fort Myers auf. Gemessen an den Windgeschwindigkeiten war es der viertstärkste Hurrikan, der je auf Florida traf, und der neuntstärkste in der Wettergeschichte der Vereinigten Staaten von Amerika.
Als besonders problematisch stellte sich neben der Stärke vor allem die äußerst langsame Verlagerung des Sturms heraus. Nahe der "Eyewall", also der kreisrund um das eher wolken- und windschwache "Auge" des Sturms angeordneten Wolkenwand, herrschte an der Südwestküste Floridas über Stunden hinweg Orkan. An der Südflanke des Sturms wehte der Wind aus westlichen Richtungen, sodass zudem gewaltige Wassermengen vom Meer in Richtung Küste und Buchten gedrückt wurden. Dies führte dort zu historisch hohen Sturmfluten bis zu 5 Metern Höhe. Im Landesinneren schwächte sich der Sturm dann zwar langsam ab, nicht aber der Starkregen. Bei Niederschlagsmengen von zum Teil mehr als 300 Liter pro Quadratmeter innerhalb von 12 bis 24 Stunden - das entspricht fast zwei Dritteln des Jahresniederschlages in Berlin - bildeten sich auch im Inland, insbesondere in einem Streifen von Fort Myers und Tampa über Orlando in Richtung Nordosten bis zur Atlantikküste, ausgedehnte Überschwemmungsflächen. Nach Daten des amerikanischen Wetterdienstes handelte es sich in einigen Regionen um ein Ereignis, das statistisch nur alle 1000 Jahre auftritt. Die Schadensbilanz dürfte verheerend ausfallen, die Aufräumarbeiten müssen allerdings abgewartet werden.
Die Frage, ob Hurrikan IAN eine Folge der Klimakrise ist, lässt sich nicht so einfach beantworten, da von Einzelereignissen nicht unmittelbar auf den Klimawandel geschlossen werden kann. Mithilfe der sogenannten Attributionsforschung lässt sich aber der ursächliche Einfluss der Klimaveränderungen auf die Stärke der Wirbelstürme abschätzen. So deuten erste Voranalysen der Stony Brook Universität (New York) darauf hin, dass der Starkregen durch die Klimaveränderungen um 10% höher ausgefallen sein könnte.
Am heutigen Freitag (30. September) befindet sich IAN als Kategorie-1-Hurrikan mit mittleren Windgeschwindigkeiten von 140 km/h bereits auf dem Atlantik und nähert sich auf einer nördlichen Bahn der Küste von South Carolina. Dort wird er, höchstwahrscheinlich ohne nennenswerte Intensitätsänderung, in der kommenden Nacht zum Samstag auf Land treffen. Orkanartiger Sturm, Starkregen und Sturmfluten sind zwar wieder zu befürchten, allerdings bei weitem nicht in dem Ausmaß wie in Florida.
Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst