Sehr heiße Temperaturen und ihre Messung
Die nächste kurze Hitzewelle in Deutschland steht an. Bei lokalen Tageshöchstwerten um 40 Grad am morgigen Dienstag stellt sich natürlich auch die Frage nach deren Messung. Wie misst man die Lufttemperatur denn eigentlich?
Hoch "Jürgen" bringt uns in der ersten Wochenhälfte so richtig zum Schwitzen. Am Westrand von "Jürgen" wird mit einer südwestlichen bis südlichen Strömung teils sehr heiße Tropikluft aus Nordafrika über Spanien und Frankreich nach Deutschland geführt. Am Dienstag, den 19.07.2022, kann die Temperatur so örtlich auf Werte um 40 Grad steigen. Entsprechend kommen wir den Allzeitrekorden von 41,2 Grad, die am 25. Juli 2019 in Duisburg-Baerl und Tönisvorst (beide in NRW) gemessen wurden, recht nahe. Am Mittwoch verlagert sich der Schwerpunkt der Hitze dann in den Osten und Nordosten, wo nochmals bis zu 39 Grad möglich sind.
Allerdings gibt es bei der Veröffentlichung von Temperaturwerten - insbesondere bei Rekorden - auch immer wieder verwunderte Reaktionen aus der Öffentlichkeit. Teilweise weichen diese nämlich recht deutlich von den höheren Temperaturen ab, die Max und Erika Mustermann von ihrem handelsüblichen Thermometer im Garten, an der Hauswand oder im Auto ablesen.
Aber wie kann es zu solch deutlichen Unterschieden kommen? Wie misst man die Temperatur denn überhaupt "richtig"?
Offiziell bestätigte Temperaturwerte in den Datenbanken der weltweiten Wetterdienste müssen an Wetterstationen gemessen worden sein, die international festgelegten Standards entsprechen, um aktuell wie auch in der Vergangenheit global vergleichbar zu sein.
Zunächst braucht man einen geeigneten Standort für die Messung. Dabei sollten die Wetterdaten repräsentativ für die Umgebung sein und die Station beispielsweise nicht in einem lokalen "Kälteloch" oder über aufgeheiztem Straßenteerbelag liegen. Am besten eignet sich hierfür ein relativ freier Platz mit genügend Abstand zu Gebäuden oder hohem Bewuchs auf einem für die Region natürlichen Untergrund (in der Regel eine kurz gehaltene Grasfläche).
Eine der größten Herausforderungen bei der Temperaturmessung besteht für die Stationsorte sicherlich in der Einhaltung dieser Richtlinien über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten hinweg. Denn ein Höchstwert kann nur als solcher anerkannt werden, wenn vergleichbare Temperaturwerte an einem bestimmten Standort aus der Vergangenheit vorliegen.
Gemessen wird die Lufttemperatur immer in zwei Metern Höhe über Grund. Die Messung erfolgt jedoch nicht in der prallen Sonne, sondern abgeschattet mit einem modernen, aus Kunststoff gefertigten, gut ventilierten Lamellen-Strahlungsschutz (siehe Abbildung zum Thema des Tages unter https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2022/7/18.html). Dieser hat an den automatisierten Standorten die sogenannte ?Englische Hütte? ersetzt.
Zur Messung der Temperatur können verschiedene Thermometer verwendet werden, wobei diese selbstverständlich auch strengen Richtlinien unterliegen und regelmäßig gewartet werden müssen. Automatisierte Wetterstationen besitzen elektronische Sensoren, welche die Lufttemperatur kontinuierlich aufzeichnen.
Standardmäßig werden die Stationen in regelmäßigen Abständen gewartet, zudem durchlaufen deren Daten eine Qualitätsprüfung. Wird nun an einer Station ein neuer Temperaturrekordwert gemessen, so wird die Anlage noch einmal genau auf ihre korrekte Funktionsweise und die Wahrung der örtlichen Umgebungsbedingungen geprüft. So musste beispielsweise der am 25. Juli 2019 gemessene Allzeitrekord von 42,6 Grad an der Station in Lingen im Emsland nachträglich annulliert werden. Auswertungen von Parallelmessungen an der Wetterstation Lingen ergaben im Nachgang, dass es in einem sehr kleinen Bereich des Messfeldes bei bestimmten Wetterlagen insbesondere am frühen Nachmittag zu auffällig erhöhten Temperaturen kam. Verantwortlich dafür war die in den vergangenen Jahren deutlich gewachsene Vegetation in direkter östlicher Nachbarschaft der Station. Sie behinderte bei bestimmten Windrichtungen den Luftaustausch. Dies führte insbesondere bei windschwachen, aber strahlungsintensiven Wetterlagen zu einer Abkopplung der lokalen Temperatur am Messfeld der Station von der großräumigen Temperaturentwicklung.
Es ist durchaus wahrscheinlich, dass am Dienstag und Mittwoch örtlich neue Stationsrekorde gemessen werden. Ob es für einen neuen deutschen Allzeitrekord reicht, wird man spätestens am Dienstagabend um 20 Uhr aus den Messwerten ablesen können (siehe z.B. auch den Climate Data Center des DWD unter dem unten angegebenen Link). Das an der Hauswand angebrachte Thermometer von Max und Erika Mustermann wird in der prallen Nachmittagssonne sicher aber auch Temperaturen jenseits der 42 Grad anzeigen können.
MSc.-Met. Sebastian Schappert
Deutscher Wetterdienst