Das Problem mit den Wolken
Jeder kennt sie die weißen, flauschigen Häufchen am Himmel. Oder die dunklen, bedrohlich wirkenden Gewitterwolken. Es ist eines der ersten Wetterphänomene, die ein Kind malt. Aber was genau sind eigentlich Wolken?
Es gibt sie in nahezu jeder Form und Größe. Mal als flauschige Ballen am blauen Himmel über die blühenden Wiesen hinwegziehend. Mal groß und mächtig begleitet von Blitz, Hagel und Starkniederschlag. Im Prinzip weiß man instinktiv, wenn man eine Wolke sieht, dass es eine Wolke ist. Doch wie genau ist eine Wolke definiert? Was macht eine Wolke zur Wolke?
Nach offizieller Definition der Weltmeteorologischen Organisation (WMO) ist eine Wolke ein Hydrometeor, der aus kleinsten flüssigen oder festen Partikeln besteht und dabei nicht den Erdboden berührt. Bei genauerer Betrachtung eine vielleicht etwas wässrige Definition. Ab wann wird dann der Nebel zu einer tiefen Schichtbewölkung? Auch andere Organisationen und Institutionen haben sich an einer Definition versucht. So bestehen Wolken laut der britischen Royal Meteorological Society aus Partikeln, die einen Durchmesser von etwa 0,02 Millimeter haben. In einem Kubikmeter Wolke müssen sich nach der Institution 100 Millionen Tröpfchen befinden. Bei einer geringeren Dichte von Wolkentröpfchen, also wenn sich nur 99,9 Millionen Tröpfchen in einem Kubikmeter befinden, ist demnach eine Wolke keine Wolke mehr. In der Natur erweist sich diese Definition eher unpraktikabel, da auch nur mit viel Aufwand messbar ist wie hoch die Tröpfchendichte ist.
Anwendbarer erscheint dann doch die Definition und Klassifikation der Wolken nach dem internationalen Wolkenatlas der WMO, der zum ersten Mal im März 1956 erschien. 2017 wurde der Wolkenatlas nochmals angepasst (am Ende des Artikels ein Link zur aktuellen Version des Wolkenatlas). Dabei werden Wolken nach ihrem visuellen Erscheinungsbild beschrieben. In der Wolkenbeobachtung gibt es zehn verschiedene Gattungen von Wolken. Neben den Gattungen gibt es verschiedene Arten, Unterarten und Begleitwolken. Man kann Wolken in Wasser, Eis oder Mischwolken unterteilen. Oder man unterscheidet zwischen tiefen, mittleren und hohen Wolken. Aufgrund der Vielfältigkeit benötigt man gut ausgebildete und erfahrene Beobachter, um das aktuelle Wolkenbild richtig zu verschlüsseln. Die Beobachtungen helfen den Meteorologen bei ihren Vorhersagen, da durch Wolken physikalische Prozesse in der Atmosphäre sichtbar werden. Allerdings ist das Einbinden einer visuellen Beobachtung von zum Beispiel "sechs Achteln Cirrostratus nebulosus" in numerischen Wettervorhersagemodellen nicht umsetzbar. Die visuelle Beschreibung des Himmels von einem Beobachtungspunkt aus verliert damit immer mehr an Bedeutung. Letztendlich muss man sich wohl doch nochmal der Herausforderung einer physikalischen Betrachtung von Wolken stellen.
Neben dem mikrophysikalischen und visuellen Blickwinkel auf Wolken, kann man auch die strahlungsphysikalischen Eigenschaften betrachten. Dabei ist die optische Dichte ein wichtiger Parameter. Diese kann zum Beispiel mit Hilfe von Satelliten ermittelt werden. Auch andere physikalische Eigenschaften wie die Stärke der Abstrahlung verschiedener Wellenlängen lässt sich durch Satelliten messen. Dies sind wichtige Daten die in die Assimilationsverfahren der numerischen Wettermodelle eingehen. Doch die Auflösung der Satelliten ist noch nicht hoch genug um einzelne kleine Quellwolken als solche zu erkennen. Auch gibt es größere Schwierigkeiten bei mehrschichtiger Bewölkung, da der Satellit nur die ihm zugewandte oberste Wolkenschicht erkennt.
Mit sogenannten LIDAR-Geräten (Light Detection and Ranging, siehe Link) werden vom Boden aus Wolken und insbesondere die Wolkenuntergrenze beobachtet. Die Wolkenuntergrenze ist dabei, als die Höhe definiert, in der das LIDAR-Gerät eine signifikante Rückstreuung des ausgesandten Laserstrahls detektiert. In einfachen Worten: Wenn das Gerät was misst, handelt es sich laut Definition um eine Wolke. Benutzt man aber unterschiedliche Messgeräte mit unterschiedlichen Lasern, ergeben sich auch leicht unterschiedliche Werte der Wolkenuntergrenze. Zudem kann die Rückstreuung auch durch andere Partikel, wie zum Beispiel Schnee, gestört werden. Also so ganz eindeutig ist auch diese Betrachtungsweise nicht.
Alles in allem lässt sich wohl zusammenfassen, dass die zunächst einfache Frage "Was ist eine Wolke?" bei genauerer Betrachtung gar nicht so einfach zu beantworten ist. Dies sollte einen aber nicht davon abhalten, fasziniert in den Himmel zu blicken und stundenlang den vorbeiziehenden Einhörnern, Häschen oder Herzen nachzusehen.
MSc Met Sonja Stöckle
Deutscher Wetterdienst