Ozon auch über der Arktis häufiger ausgedünnt
Forscher berichten, dass aufgrund veränderter Bedingungen in der winterlichen Stratosphäre die Ozonkonzentration auch über der Arktis saisonal teils deutlich geringer ausfällt. Mögliche Gründe werden kurz dargelegt.
Der chemische Verlust von arktischem Ozon durch anthropogene Halogene (wie Chlor oder Brom) ist temperaturabhängig, wobei in kalten Wintern, die für die Bildung polarer stratosphärischer Wolken günstig sind, ein größerer Verlust auftritt. In einem aktuellen wissenschaftlichen Artikel aus 2021 (Nature Communications, unter https://www.nature.com/articles/s41467-021-24089-6) wird gezeigt, dass ein statistisch signifikanter Anstieg des Potenzials für die Bildung von polaren stratosphärischen Wolken in kalten Wintern in den meteorologischen Daten des letzten halben Jahrhunderts zu erkennen ist. In der Stratosphäre ist der Wasserdampfgehalt der Luft sehr gering, so dass sich keine herkömmlichen Wasserwolken bilden können. Polare Stratosphärenwolken bestehen daher aus Kristallen von Schwefelsäure oder Salpetersäure; bei extrem tiefen Temperaturen kann sich um diese Säurekristalle noch ein Eismantel bilden. An den Oberflächen der Kristalle können chemische Reaktionen ablaufen, die für den Ozonabbau in der Stratosphäre verantwortlich sind.
Die Ergebnisse zahlreicher Zirkulationsmodelle (Computersimulationen und -projektionen) zeigen ebenfalls positive Trends bezüglich polarer Stratosphärenwolken im Zeitraum 1950 (Analyse bis dato) bis zum Jahr 2100 (Prognose), wobei die höchsten Werte am Ende des 21. Jahrhunderts auftreten sollen, und zwar für Simulationen, die von einem starken Anstieg des Strahlungsantriebs des Klimas durch Treibhausgase (wie z.B. CO2 oder Methan) angetrieben werden.
Andererseits lassen sich die Ozonschwankungen im arktischen Polarwirbel während des Winters und des Frühjahrs neben dem erläuterten anthropogenen chemischen Verlust auch durch dynamischen Antrieb erklären. Der chemische Verlust und die dynamische Zufuhr von stratosphärischem Ozon (durch meridionale Zirkulationen) zeigen eine große jahreszeitliche Variabilität, die von meteorologischen Faktoren bestimmt wird. Kältere und damit stärkere stratosphärische Polarwirbel gehen mit geringeren Werten des Gesamtozons in der atmosphärischen Säule und größerem chemischen Ozonverlust (aufgrund niedriger Temperaturen) einher. In den kältesten arktischen Wintern werden die geringsten Ozonwerte in der Gesamtsäule (vertikal) gemessen, was zum Teil auf einen größeren chemischen Verlust zurückzuführen ist.
Welche Rolle könnte der Klimawandel hierbei noch spielen?
Ein Nebeneffekt der höheren Treibhausgaskonzentrationen in der Troposphäre kommt hierbei zum Tragen. Nimmt ihr Gehalt dort zu, so wirken die Treibhausgase wie eine Decke, die zwar nach unten hin wärmt (Verhinderung der langwelligen Ausstrahlung aus der Troposphäre), aber die Stratosphäre wiederum durch Ausstrahlung der Treibhausgase nach oben hin abkühlt. Auch dadurch bedingt kann der stratosphärische Polarwirbel im Winterhalbjahr sowohl stärker ausgeprägt sein als auch im Frühjahr mitunter verspätet zusammenbrechen. Das Treibhausgas Methan kann zudem bis in die Stratosphäre aufsteigen und dort die Luftfeuchtigkeit erhöhen, wie Forscher herausgefunden haben. Das wiederum fördert die Bildung der polaren Stratosphärenwolken zusätzlich und forciert somit indirekt den chemischen Ozonabbau. Diese beschriebenen negativen Effekte stellen somit einen gegenläufigen Trend zum allmählichen Abbau der ozonzerstörenden Substanzen (wie z.B. die bekannten FCKWs) dar. Und die Forscher sind sich einig: je mehr Treibhausgas-Emissionen es gibt, desto mehr Ozonabbau könnte das auch für die Zukunft bedeuten.
Dipl.-Met. Dr. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst