Langer Weg zum (Bergland) Winter
Zuletzt konnte man immer wieder von einem drohenden, "massiven Wintereinbruch" zum ersten Adventswochenende lesen. Was ist dran an diesen Meldungen?
Schon seit Wochen geistern Meldungen durch die Medienwelt, uns stünde ein "massiver Wintereinbruch" Ende November bzw. rund um den ersten Advent bevor - von Schlagzeilen, die vom Weihnachtswetter handeln, erst gar nicht zu sprechen. Die meisten dieser Meldungen können als unseriös oder unwissenschaftlich bezeichnet werden. Dass konkrete Aussagen über den Wetterablauf nicht über 7 bis 10 Tage im Voraus, also über den meteorologischen Mittelfristzeitraum hinaus getätigt werden können, ist keine hohle Phrase, sondern vielmehr ein Grundsatz der synoptischen Meteorologie. Doch seit gestern ist zumindest das erste Adventswochenende Teil der äußersten Peripherie des mittelfristigen Prognosezeitraums, sodass sich ein erster Blick auf die aktuellen Modellberechnungen durchaus lohnt. Wir gehen der Frage nach, was von dem mutmaßlichen "massiven Wintereinbruch" tatsächlich in den Prognosen wiederzufinden ist.
Was zweifelsohne festgehalten werden kann, ist, dass sich die großräumigen Luftdruckverhältnisse über dem nordatlantischen und europäischen Raum innerhalb der nächsten Tage nachhaltig umstellen. Tiefer Luftdruck über dem nahen Nordatlantik weicht einem weit nach Norden ausgreifenden und kräftigen Hochdruckgebiet. Dabei wird die zuvor vorherrschende und zumindest auch über Norddeutschland wirksame Westströmung, Kennzeichen für die sog. "zonalen" Großwetterlagen, "blockiert". Das Hoch steuert die Luftmassen nun im Uhrzeigersinn um sein Zentrum herum, sodass an seiner Westflanke Warmluft weit nach Norden, an seiner Ostflanke Kaltluft weit nach Süden ausgreifen kann. Aufgrund der Luftbewegungen entlang der Längengrade bzw. der Meridiane, spricht man nicht nur von einer "blockierten", sondern öfter auch von einer "meridionalen" Großwetterlage.
Die von den Modellen durch die Bank berechnete Position des Hochs westlich von Deutschland lässt in erster Näherung den Schluss zu, dass wir uns in Schussrichtung der Kaltluft polaren Ursprungs befinden. Tatsächlich dreht die Strömung hinter einer Kaltfront, die uns Sonntag und Montag südwärts überquert, auf nördliche Richtungen, sodass ein erster Schwall Kaltluft zu uns gelenkt werden kann. Da das noch verhältnismäßig nahe, unweit der Britischen Inseln gelegene Hoch aber rasch seine Fühler zu uns ausstreckt, wird die Zufuhr der Kaltluft schon zu Wochenbeginn wieder gekappt und die Niederschläge klingen bereits mit Eintreffen der Kaltluft ab. Ein paar Schneeflocken wären somit nur in den höchsten Lagen des Berglandes möglich, wenn überhaupt. Auch die Abkühlung fällt moderat aus, sodass sich zwar nachts verbreitet leichter Frost einstellt, tagsüber aber Temperaturen meist über dem Gefrierpunkt herrschen. Im Süden, wo unter Hochdruckeinfluss zuvor die bodennahe, kalte "Nebelsuppe" lag, ist die Abkühlung sogar kaum nennenswert. Waschechtes Winterwetter sieht definitiv anders aus.
Ab Wochenmitte verschiebt das Hoch seinen Schwerpunkt nach Westen weiter von uns weg, man spricht auch von einer "retrograden" Verlagerung, im Gegensatz zu einer "progressiven" Verlagerung nach Osten. Dadurch kann sich bei uns der Tiefdruckeinfluss stärker und nachhaltiger durchsetzen und bei günstiger Position der einflussnehmenden Tiefs die Kaltluft massiver zu uns gelangen. Da aber gerade die Position dieser kleinen, agilen Tiefs im Gegensatz zu der des großräumigen, behäbigen Hochs mit größeren Unsicherheiten behaftet ist, ist noch völlig unklar, welche Strömung und damit auch welche Luftmassen bei uns dominieren werden.
Prinzipiell nimmt die Wahrscheinlichkeit für winterliches Wetter aber zumindest im Bergland ab Mitte der nächsten Woche, inklusive des ersten Adventswochenendes deutlich zu. Für einen Wintereinbruch bis ins Tiefland müssten dagegen schon viele Räder ineinandergreifen. Am größten stehen die Chancen dafür ab Freitag in Süddeutschland (siehe Abbildung auf https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2021/11/19.html). In Anbetracht der Unsicherheiten und der voraussichtlichen Beschränkung des Winterwetters auf vorwiegend höhere Lagen entbehrt das Ausrufen eines "massiven Wintereinbruchs" allerdings jeder meteorologischen Grundlage.
Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst