Auszug aus dem meteorologischen Werkzeugkasten
In den letzten Jahrzehnten haben sich die meteorologischen Vorhersagemethoden stark gewandelt. Trotzdem sind die klassischen Techniken nicht in Vergessenheit geraten. Anhand der Wetterlage von Montagvormittag ist diese Symbiose wunderbar darstellbar.
Markante winterliche Luftmassenwechsel gehen nur selten "geräuschlos" über die Bühne, in den meisten Fällen bekommt der eine oder andere die unmittelbaren Auswirkungen, vor allem im Bereich der Mobilität, zu spüren. Aus meteorologischer Sicht besonders spannend ist es, wenn beispielsweise eine positiv temperierte Warmluftmasse auf einen massiven Kaltluftkörper trifft. Geht dieser Prozess zudem mit Niederschlag einher, müssen aus der meteorologischen Werkzeugkiste doch die unterschiedlichsten Analyse- und Vorhersagemethoden herausgekramt werden. Während in früheren Jahren vielleicht das eine oder andere benötigte Werkzeug zur Beurteilung der Lage fehlte bzw. noch nicht entwickelt war, können wir heutzutage aus einem großen Portfolio wählen. Doch das bedeutet nicht, dass die klassischen Werkzeuge an Relevanz verloren hätten.
Zu diesen Klassikern gehört sicherlich der geschulte Blick auf die aktuelle Bodenkarte. Damit kann die Ausgangssituation schnell erfasst und potentielle "Problembereiche" eingegrenzt werden. Am heutigen Tag (06 UTC) zeigt diese ein umfassendes Hochdruckgebiet, dessen Schwerpunkt sich über Mitteleuropa befindet. Die darin verzeichneten Temperaturen lassen keinen Zweifel aufkommen, dass die über diesen Regionen lagernde Luftmasse unter die Kategorie "kalt" bzw. "sehr kalt" fällt. An und für sich ist diese Ausgangssituation noch nicht beunruhigend (vielleicht von strengen Frostnächten abgesehen), doch der Blick in den Westen zeigt bereits die Dämmerung des zukünftigen "Problems". Das Hochdruckgebiet gerät nämlich von Westen her ordentlich in Bedrängnis, atlantische Tiefausläufer mit milderer Luft versuchen die Flanken des Kaltluftkörpers anzugreifen. Aus der klassischen synoptischen Meteorologie ist nun bekannt, dass die herangeführte mildere Luft aufgrund der Dichteunterschiede auf die davor lagernde kalte Luftmasse aufgleiten muss. Bei diesem Prozess werden in den meisten Fällen Niederschläge ausgelöst, die, abhängig von vielen Faktoren, auch in flüssiger Form fallen können. Das Resultat ist bekannt: Fällt Regen in kalte Luft bzw. auf eine kalte Oberfläche entsteht Glatteis durch gefrierenden Regen. Die anstehende Grundproblematik hat man damit recht schnell erfasst, an den zeitlichen und räumlichen Details gilt es aber noch zu feilen.
Das große Defizit von Bodenkarten ist aber, dass diese die Atmosphäre in ihrer vertikalen Komplexität nur rudimentär, allenfalls indirekt abbilden können. Definitionsgemäß gehen darin nämlich nur Informationen ein, die am Boden beobachtet oder gemessen werden. Damit liegt der Schluss nahe, dass Vertikalsondierungen der Troposphäre ein hilfreiches Werkzeug wären. Schon seit mehr als 100 Jahren steigen Ballone mit Messgeräten in die Luft, die auf ihrem Weg wertvolle Messwerte erheben. Schaut man sich eine solche Vertikalsondierung in der stromaufwärts liegenden Luftmasse an, kann man grob beurteilen, welche Auswirkungen diese haben könnte, wenn bei uns Advektionsprozesse einsetzen. Im aktuellen Fall lohnt es sich daher den Blick in Richtung Westen, nach Frankreich und Südengland, schweifen zu lassen.
Heutzutage ist man aber gerade im datenverwöhnten Europa nicht mehr ausschließlich auf solche "rustikalen" Methoden angewiesen. Mit den aktuellen Modell- und Rechnerleistungen lässt sich nämlich hervorragend berechnen, wie die Vertikalstruktur ("das Sounding") der Atmosphäre zukünftig ausschauen könnte. Betrachtet man ein solches "Prognosesounding", in unserem Beispiel für Essen-Bredeney in Nordrhein-Westfalen, sieht man in den Morgen- und Vormittagsstunden des Montags eine sogenannte "warme Nase". Dies ist ein Einschub wärmerer über bodennah kalter Luft, der im Diagrammpapier im klassischen Fall als Nase erkennbar ist (grundlegende Erläuterungen unter https://bit.ly/3dcvX5m).
Selbstverständlich ist es mit den heutigen technischen Möglichkeiten aber kein Problem, aus dieser Punktinformation eine flächige Prognostik abzuleiten. Als Beispiel dafür sei das berechnete "signifikante Wetter" genannt. Das Wettermodell hat nämlich eine bestimmte Vorstellung davon, welche Phase der Niederschlag annehmen könnte. Fällt dieser in die Kategorie "flüssig" und sind am Boden negative Temperaturwerte vorhanden, dominiert beispielsweise in Nordrhein-Westfalen am Montagvormittag in unserer aktuellen Prognosekarte die rötliche Farbe für gefrierenden Regen. Diese wird später von Westen her durch grünliche Farbtöne abgelöst, die den Übergang in Regen ohne Glatteisbildung darstellen.
Leider ist eine solche Wetterlage, die ab Montag beginnt, auch in der Modellwelt mit allerhand Unsicherheiten versehen. Beispielsweise ist die Progression des Übergangs von Schnee zu Regen doch schwierig zu berechnen. Nichtsdestotrotz gibt es genug Hinweise, dass besonders im Westen ab Montagvormittag eine Glatteislage bevorsteht. Diese kann aufgrund ihrer Verbreitung auch unwetterartige Züge annehmen, daher haben wir uns für eine Vorabinformation Unwetter entschieden. Verfolgen Sie also bitte unsere Akutwarnungen in der WarnWetter-App, um von den möglichen Auswirkungen - besonders im Verkehrsbereich - nicht überrascht zu werden.
Mag.rer.nat. Florian Bilgeri
Deutscher Wetterdienst