Ein schlechtes Gewitterjahr?
Im heutigen Thema wird eine erste Bilanz der Gewittersaison 2020 gezogen. Starkregen, Wind, Hagel und Tornados ... welche Aussagen lassen sich dazu vergleichend mit anderen Jahren treffen.
In den zurückliegenden Tagen und Wochen gab es über Deutschland verteilt häufig Gewitter. Dabei hat es den einen öfter getroffen, den anderen nur selten oder vielleicht gar nicht. Die häufigen Gewitter im August können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Gewittersommerbilanz 2020 in einigen Regionen eher mau ausfallen wird. Aber trifft dies auch auf die Begleiterscheinungen der Gewitter wie Starkregen, Hagel, Wind und Tornados zu?
Werfen wir zunächst einen Blick auf die Blitzstatistik. Schon im Mai entsprach die durchschnittliche Anzahl der Blitze in Deutschland nur etwa 50 % der üblichen Zahl. Im ersten Sommermonat Juni setzte sich dieser unterdurchschnittliche Trend fort. Der Juli mit seinen langen Trockenphasen brachte dann einen neuen Negativrekord bei der Anzahl der registrierten Blitze über Deutschland. Der Großteil wurde in Bayern registriert (70%), während es in anderen Bundesländern fast gar nicht blitzte. Im Vergleich: 2019 gab es dreimal so viele Blitze wie in diesem Jahr. Und auch wenn der Augustmonat am Ende durchschnittlich ausfallen sollte, ändert dies nichts daran, dass der Sommer 2020 als eher gewitterarmes Jahre in die meteorologischen Geschichtsbücher eingehen wird.
Aber wie schaut es mit schadensträchtigen Begleiterscheinungen aus? In der europäischen Unwetterdatenbank (European Severe Weather Database ESWD) vom ESSL (European Severe Storms Laboratory) werden alle bekannt gewordenen Schadensmeldungen in Europa, und damit auch Deutschland, gesammelt. Als Vergleich werden die vergangenen fünf Jahre jeweils vom 01.06. bis 31.08. betrachtet. Die Kriterien sind die Folgenden: Hagel: mind. 2 cm, Wind: mind. 25 m/s (90 km/h), Regen: signifikante Schäden oder außergewöhnlich hohe Niederschlagsmenge.
Zunächst ein Blick auf die Gesamtbilanz. Mit bisher 1207 registrierten Unwettermeldungen lässt sich im Vergleich zu den vorangegangenen Jahren keine besondere Auffälligkeit feststellen. Ganz im Gegenteil, hier zeigt sich das Jahr 2020 als durchschnittlich. Anders sah es im Trockensommer 2018 mit nur 664 Meldungen aus.
Schaut man etwas mehr ins Detail, dann fällt auf, dass die Hälfte aller Ereignisse auf schadensträchtigen Starkregen zurückzuführen ist. Seit Sommerbeginn (01.Juni) wurden bis zum 21.08.2020 630 Ereignisse erfasst. Damit stellt der Sommer 2020 einen neuen Höchstwert im Vergleich zu den Jahren seit 2015 dar. Bisher hatte 2016 mit 487 Fällen die Krone auf.
Ganz anders verhält es sich bei der Begleiterscheinung Wind. Gerade einmal 269 Meldungen konnten bisher erfasst werden. Damit liegt dieser Sommer gleichauf mit 2018 (268) und weit entfernt von 2015 (989). Auch die Tornadoaktivität hielt sich in Grenzen. 16 Tornados konnten bisher beobachtet werden, wobei ein Teil davon sogenannte Wasserhosen waren. Anders im Jahr 2016, als ganze 61 Fälle in den drei Sommermonaten verzeichnet wurden.
Auffällig ist noch eine neue Höchstzahl bei den Hagelmeldungen (292). Im Jahr 2018 waren es im Vergleich dazu nur 69. Es muss aber auch erwähnt werden, dass richtig großer Hagel von 5 cm und mehr eher selten aufgetreten ist. Die Rekordhagelkorngröße in Deutschland stammt übrigens aus dem August 2013 mit gut 14 cm.
Bleibt noch die Frage: Warum ist die Statistik, wie sie ist? Auffällig im Jahr 2020 ist, dass abseits der häufigen Trockenphasen oft eine sogenannte "Sumpflage" über Deutschland vorherrschend war. Das heißt die Windgeschwindigkeiten in höheren Luftschichten, die bestimmen, wie schnell sich Gewitter verlagern, waren oft nur gering. Gleichzeitig gab es viel Feuchtigkeit in der Luft. Damit ließen die sich nur langsam verlagernden Gewitter örtlich große Mengen an Regen fallen, was die hohe Anzahl an Starkregenereignissen erklärt.
Auf der anderen Seite kann man damit auch verstehen, warum nur wenig Wind- und Tornadoereignisse auftraten und verhältnismäßig "kleine" Hagelmeldungen einliefen. Für stärkere Wind,- Hagel- und Tornadoereignisse sind ganz pauschal gesagt häufig "dynamische" Gewitterlagen verantwortlich. Das bedeutet, dass es eine starke Änderung des Windes mit der Höhe gibt, wodurch sich sogenannte "Superzellen" entwickeln können. Wie bereits angesprochen, war der Wind in der Höhe eher schwach und so ist es nur konsequent, dass im Vergleich zum Starkregen die anderen Begleiterscheinungen eher in den Hintergrund getreten sind.
Zu guter Letzt noch der Hinweis, dass auch im Mai und September häufig sommerliche Gewitter auftreten können. Diese wurden hier nicht berücksichtigt und könnten in der Gesamtbilanz über einen längeren Zeitraum noch Verschiebungen bringen. In dieser Statistik ging es hingegen rein um die Sommermonate.
Dipl.-Met. Marcus Beyer
Deutscher Wetterdienst