Ein schlechter Sommer?
Der Sommer zeigte sich in diesem Jahr bisher eher von seiner wechselhaften Seite. Aber ist er deswegen schlecht oder gar ungewöhnlich kalt? Nachdem die Sommerjahreszeit nun in die zweite Halbzeit gegangen ist, lässt sich eine erste kleine Zwischenbilanz ziehen.
Denkt man an die vergangenen beiden Jahre, so fallen einem schnell die Worte ?Hitze" und "Trockenheit" ein. Zudem wurden am 25.07.2019 an zahlreichen Stationen neue Hitzerekorde aufgestellt und die 40-Grad-Marke wurde gleich mehrfach gebrochen. Zwar ist die Trockenheit auch im Sommer 2020 in einigen Regionen wieder ein Problem, von großer oder gar langanhaltender Hitze sind wir in diesem Jahr aber weit entfernt. Ist der Sommer 2020 damit (außergewöhnlich) kühl?
Um der Sache auf den Grund zu gehen, genügt ein Blick in die Statistik. Als Vergleichszeitraum wird derzeit noch das 30-jährige Mittel von 1961 bis 1990 verwendet. Die mittlere Durchschnittstemperatur als Flächenmittel über ganz Deutschland liegt in diesem Zeitraum bei 16,2 Grad. Schaut man auf die aktuelle Mitteltemperatur (01.06. bis 20.07.) so liegt diese bei 16,7 Grad. Derzeit ist der Sommer 2020 also 0,5 Grad wärmer als im Schnitt. Die Abweichung ist aber nur gering, sodass man ihn temperaturtechnisch als durchschnittlich bezeichnen kann.
Natürlich geht es auch noch deutlich wärmer. So war es beispielsweise 2003 oder auch 2018 außergewöhnlich warm. Die höchste Mitteltemperatur als Flächenmittel über Deutschland liegt bei 19,7 Grad. Es gab aber auch schon klar kältere Sommer, so im Jahr 1978 oder auch 1956. Die niedrigste Mitteltemperatur betrug 14,7 Grad. Ähnlich schaut es auch aus, wenn man einzelne Messstationen betrachtet, wie dies in der angehängten Grafik getan wurde.
Zusammengefasst: Bezogen auf die Temperatur gibt es keine Auffälligkeiten. Das Jahr 2020 zeigt demnach einen für Deutschland typischen Sommer.
Nun kann man aber auch zählen, wie viele Sommertage (>25 Grad) oder Hitzetage (>30 Grad) bisher aufgetreten sind. Für die Statistik wurde das Gesamtjahr herangezogen. Gerade bei den Sommertagen kann ein Teil der Anzahl also auch aus den Übergangsjahreszeiten stammen.
Im Schnitt gab es bisher 15 Sommertage als Flächenmittel über das gesamte Bundesgebiet. Während in Hamburg bisher elf Tage registriert wurden, waren es in Frankfurt am Flughafen bereits 31. Typisch für beide Städte sind im Mittel (1961 bis 1990) 20 bzw. 41 Tage. Es wurden also bisher etwa die Hälfte der mittleren Anzahl für das Gesamtjahr registriert. Ähnlich schaut es auch für andere Stationen in Deutschland aus. Da der Sommer gerade erst Halbzeit hat und es auch im September noch sommerlich werden kann, ist es durchaus wahrscheinlich, dass 2020 auch bezüglich der Sommertage durchschnittlich ausfällt. Da immer gerne die letzten beiden Sommer herangezogen werden, ein Vergleich: In Frankfurt gab es 2018 108 und 2019 75 Sommertage, in Hamburg waren es 64 bzw. 34 Tage. Daran sieht man, wie außergewöhnlich die beiden zurückliegenden Jahre gewesen sind.
Nun noch ein Blick auf die Hitzetage. Mit auf ganz Deutschland bezogen bisher nur einem Hitzetag sieht es dieses Jahr in der Tat mau aus. In Frankfurt gab es bisher zwei Hitzetage, im Jahr 2018 waren es ganze 43 und 2019 30 Tage. Durchschnittlich treten 9 Hitzetage auf. In Hamburg gab es bis heute ebenfalls zwei Tage (2018: 19, 2019:12, Mittel: 3). Die große Hitze ist also bisher tatsächlich ausgeblieben und die Anzahl der Hitzetage ist bisher in vielen Regionen unterdurchschnittlich.
Fazit: Der Sommer verläuft bezüglich der Temperatur derzeit sehr durchschnittlich, einzig bei den Hitzephasen gibt es noch einen gewissen Mangel. Aber warum kommt uns dieser Sommerverlauf dann so kühl vor? Das liegt vor allem an den beiden Vorjahren. Studien haben gezeigt, dass sich der Mensch sehr rasch an die neue ?Normalität" gewöhnt. Gibt es mehrere Jahre mit einer deutlich wärmeren Temperatur, dann wird dies in der Psyche des Menschen als neuer Standard definiert. Kommt dann einmal ein durchschnittliches Jahr, wird dieses dann als ausgesprochen kühl empfunden.
Dipl.-Met. Marcus Beyer
Deutscher Wetterdienst