Chaostheorie Teil 2: Ensemblevorhersagen und die Grenzen der
Vorhersagbarkeit
In unserem ersten Teil haben wir gelernt, dass chaotische Systeme sehr sensitiv bezüglich der Anfangsbedingungen und der Wettervorhersage somit Grenzen gesetzt sind. Doch wo liegen die Grenzen der Vorhersagbarkeit und wie kann man dem Chaos beikommen?
In unserem ersten Teil haben wir gelernt, dass chaotische Systeme sehr sensitiv bezüglich der Anfangsbedingungen und der Wettervorhersage somit Grenzen gesetzt sind. Doch wo liegen die Grenzen der Vorhersagbarkeit und wie kann man dem Chaos beikommen? Wie lange das Wetter noch einigermaßen vorhersagbar ist, hängt stark von der Wetterlage ab. Bei stabilen Wetterlagen ist der Zeitraum entsprechend länger, während er bei Grenzwetterlagen oft nur wenige Tage beträgt. Im Allgemeinen gilt jedoch, dass das Wetter derzeit, ohne auf regionale Detailprognosen einzugehen, im Mittel etwa 7 Tage vorhersagbar ist. Bis zu 10 Tagen kann man noch einen groben Trend angeben. Um das Problem mit dem Chaos zumindest etwas in den Griff zu bekommen, werden sogenannte Ensemblerechnungen durchgeführt. Das bedeutet, dass ein Wettermodell mehrere Male mit jeweils leicht variierten Anfangsbedingungen gerechnet wird. In der Abbildung ist die Ensemblerechnung des europäischen ECMWF-Modells für München dargestellt. Jede Linie entspricht dabei einen Modelllauf. Der obere Teil der Abbildung zeigt die Temperatur auf etwa 1500 m Höhe. In der Mitte ist der 6-stündige Niederschlag dargestellt und ganz unten das Geopotenzial auf etwa 500 hPa, was in etwa einer Art Druckäquivalent in etwa 5500 m Höhe entspricht. Die fette Linie ist der Kontrolllauf, der die originalen Anfangsbedingungen enthält. Die gestrichelte Linie symbolisiert den höher aufgelösten operationellen Lauf. Man erkennt, dass die Temperatur bis etwa Freitag, den 12. von allen Ensemblerechnungen recht einheitlich prognostiziert wird. Der Temperaturanstieg am Ende der Woche scheint als sicher, denn das System ist diesbezüglich wenig chaotisch. Ab dann fächern die Vorhersagen deutlich auf. Ein Trend zu einer Abkühlung ab Sonntag lässt sich aber dennoch herauslesen. Ab Mittwoch geht das System bezüglich der Temperatur völlig ins Chaos über. Die Vorhersagen sind dann so unterschiedlich, dass sich keine Vorhersage mehr treffen lässt. Anders sieht die Vorhersage bei den Niederschlägen aus. Diese streuen bereits am Wochenende erheblich. Dies weißt für den erfahreneren Meteorologen auf Schauer und Gewitter hin, was sehr chaotische Prozesse sind. Ob ein Gewitter trifft, oder ob es an einem Ort vorbeizieht, lässt sich oft maximal eine Stunde vorhersagen. Deshalb verwundert es nicht, dass einige Rechnungen einen Volltreffer mit bis zu über 30 mm Regen zeigen, während es andere Ensemblemitglieder im selben Zeitraum trocken lassen. Trotz immer besserer Computer und genaueren Messdaten, wird sich die mögliche Vorhersagezeit nur wenig verlängern. Denn auch in Zukunft wird sich nicht jeder Flügelschlag von Schmetterlingen erfassen lassen. Der Mathematiker und Chaosforscher Wladimir Igorwitsch Arnold stellte fest, dass die prinzipielle Grenze von Wettervorhersagen bei 2 Wochen liegt. Doch was ist mit Langfristprognosen? Vor kurzen kursierte noch die Vorhersage eines "Hitzesommers enormen Ausmaßes" durch die Medien. Langfristprognosen unterscheiden sich grundlegend von detaillierten Wettervorhersagen, die Prognosen über Stunden und Tage liefern. Mit Langfristprognosen lassen sich nur grobe Trendaussagen dahingehend treffen, ob ein bestimmter Monat mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit zu warm oder zu kalt, bzw. zu nass oder zu trocken wird. Dazu werden nicht nur die unteren Atmosphärenschichten berücksichtigt, sondern auch höhere Schichten in einem gekoppelten Klimamodell, dass auch Meereis, Boden und Ozean mit einbezieht. Diese Vorhersagen liefern in bestimmten Teilen der Erde wie zum Beispiel den Tropen recht gute Vorhersagen. Denn dort wird das Wettergeschehen über einen längeren Zeitraum von langsameren Prozessen, wie zum Beispiel El-Nino bestimmt. Bei den dynamischen Vorgängen in den mittleren Breiten, wo sich Druckverhältnisse und damit auch Wetterlagen häufig ändern, und die Prozesse chaotischer sind, ist die Qualität von Langfristprognosen weniger gut. So weiß man, was man von solchen "Horrorprognosen" zu halten hat.
Dipl.-Met. Christian Herold
Deutscher Wetterdienst