Ein Hoch auf die Stratosphäre
Stratosphärische Zirkulationen wie die Quasi-Biennale Oszillation könnten mehr Einfluss auf unser Wetter haben, als bisher vermutet. Dazu gibt es neue wissenschaftliche Erkenntnisse.
Die quasi-zweijährige Schwingung oder auch Quasi-biennale Oszillation (QBO) ist eine periodische Umkehr des zonalen Windes (Windkomponente in West-Ost-Richtung oder umgekehrt, also entsprechend West- oder Ostwinde) in der äquatorialen Stratosphäre der Erde. Sie tritt in einer Höhe von rund 16 bis 40 Kilometern mit einem Maximum bei circa 20 bis 25 Kilometern Höhe auf. Die Periode schwankt dabei seit Beginn der Beobachtungen im Jahr 1953 zwischen 22 und 34 Monaten, wobei die mittlere Periode 27 Monate beträgt.
In einer aktuellen wissenschaftlichen Studie (veröffentlicht am 18.05.2020, für fachlich Interessierte hier im Originaltext zu lesen: https://link.springer.com/article/10.1007/s00382-020-05285-4) werden u.a. Zusammenhänge der QBO mit troposphärischen Strömungsmustern im europäisch-atlantischen und pazifischen Raum aufgezeigt.
Hierfür wurden Datensätze und Radiosondenbeobachtungen von zonalen Winden in einem Zeitraum von 1958 bis 2016 untersucht. Ziel dabei war, den Einfluss der QBO auf die Ausdehnung von stratosphärischen Anomalien des so genannten Northern Hemispheric Annular Mode (NAM) bis in die Troposphäre in seiner positiven und negativen Phase zu analysieren. Die NAM oder auch Arktische Oszillation (AO) entsteht durch ausreichend große Temperaturdifferenzen zwischen den sehr kalten Polarregionen und den eher gemäßigten mittleren Breiten. Die NAM ist eng an die Nordatlantische Oszillation (NAO) gekoppelt, welche ihrerseits die europäisch-atlantische Komponente dieser übergeordneten Nordhemisphärischen Zirkulation genauer beschreibt. Die NAO sowie die AO werden deshalb oft für den nordhemisphärischen Winter definiert, wo sie die größte Persistenz und Amplitude der Anomalie aufweisen (siehe auch hier: https://www.dwd.de/DE/service/lexikon, Stichwort NAO / NAO-Index).
Während der positiven Anomalie-Phase des NAO-Index herrscht über den höheren Breiten relativ tiefer Luftdruck einerseits und relativ hoher Luftdruck über dem zentralen Nordatlantik, dem östlichen Nordamerika und Westeuropa andererseits. In der negativen Phase stellen sich gegenteilige Anomalien über den jeweiligen Regionen ein.
Die Ergebnisse der Studie zeigen nunmehr, dass die durchschnittliche Anzahl negativer NAM bzw. NAO-Anomalien während der Ostwindphase der QBO (East QBO oder kurz EQBO) deutlich höher ist als die während des Westwindphase der QBO (WQBO), was eng mit der Ausdehnung der stratosphärischen NAM-Signale bis in die Troposphäre zusammenhängt. Das führt während der EQBO zu einer Abkühlung über Eurasien und Nordamerika. Der Einfluss der WQBO auf NAM-Anomalien ist in etwa dem der EQBO entgegengesetzt.
Die erhöhte Häufigkeit negativer NAM-Signale während der EQBO wird hauptsächlich durch folgende Faktoren verursacht. Erstens erzwingt die EQBO einen anomalen, polwärts gerichteten Transport von Luftmassen in der mittleren und unteren Stratosphäre sowie eine anomale Absinkbewegung und damit verbundene Erwärmung in der polaren Stratosphäre. Zweitens sind die von der Troposphäre in die Stratosphäre eintretenden, nach oben gerichteten Wellenflüsse (und Wellenausbreitung als Ergebnis so genannter Impuls- und Wärmeflüsse) unter der EQBO größer. Das führt zu Ostwind-Anomalien in der polaren Stratosphäre und die Ausdehnung negativer NAM-Signale bis in die Troposphäre zurück. Schließlich erzwingen anomale, polwärts gerichtete Wellenflüsse unterhalb des Druckniveaus von 100 hPa (etwa in 16 km Höhe) ebenso die Entwicklung negativer NAM-Signale in der unteren Stratosphäre und Troposphäre.
Die EQBO-induzierten Anomalien der troposphärischen Zirkulation können zu positiven Anomalien des Luftdrucks (relativ hoher Luftdruck) über dem subtropischen Atlantik führen. Das wiederum führt zu einem anomalen Wellenzug, der subpolare positive Luftdruckanomalien über dem europäisch-atlantischen Sektor forciert. Die pazifischen, EQBO-induzierten positiven Luftdruckanomalien in der tropischen Troposphäre können dagegen anomale polwärts gerichtete Wellenflüsse stimulieren, die negative Luftdruckanomalien (relativ tiefer Luftdruck) in mittleren bis hohen Breiten erzwingen, wodurch eine sinusförmige Welle (auch Planetare oder Rossby-Welle genannt) rund um die Nordhemisphäre mit abwechselnd hohem und tiefem Luftdruck verstärkt wird. Die Mechanismen, unter denen die WQBO die Verstärkung von Planetaren Wellen beeinflusst, ähneln denen, die für die EQBO diagnostiziert wurden, jedoch mit entgegengesetztem Vorzeichen.
Die Ergebnisse der Studie gelten im Wesentlichen für den nordhemisphärischen Winter (Datenanalyse von November bis einschließlich März). In der Fachliteratur gibt es jedoch auch Hinweise auf vergleichbare Einflüsse der QBO im nordhemisphärischen Frühjahr.
Diese Einflüsse könnten etwas gemein haben mit der derzeit relativ persistenten Großwetterlage im europäisch-atlantischen Raum, also der ab Ende März 2020 bis dato geltenden Tendenz zur Verstärkung von positiven Luftdruckanomalien über den subpolaren Breiten, hier speziell im Nordatlantik (mit teils deutlich negativem NAO-Index, siehe auch aktuell: https://www.cpc.ncep.noaa.gov/products/precip/CWlink/pna/nao_index.ht ml).
Dieser Umstand allein sollte als Motivation für vertiefende Studien zur Untersuchung von möglichen Korrelationen troposphärischer Zirkulationsmuster mit der entsprechenden QBO-Phase dienen (auch jahreszeitlich differenziert). Diesem Ansinnen hat der weiter oben zitierte Artikel erheblichen Vorschub geleistet.
Dr. rer. nat. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst