Erneut viel Wind vom Schwarzen Meer bis hin zur Ägäis
Bei hohem Luftdruck über der Balkan-Halbinsel und tiefem Luftdruck über der Türkei stellt sich zwischen Schwarzem und Ägäischem Meer häufig stürmischer Nordostwind ein, der gerade über See mit Zusatzeffekten zu teils orkanartigen Böen führen kann.
Seit einigen Tagen hat sich über Südosteuropa eine relativ stationäre Wetterlage eingestellt. Einerseits herrscht hoher Luftdruck über der Balkan-Halbinsel, andererseits sorgt tiefer Luftdruck über dem östlichen Mittelmeer und der Türkei für einen ernst zu nehmenden Widerpart.
Dort haben sich aufgrund der Strömungsverhältnisse veritable Temperaturgegensätze herauskristallisiert. So wird um das Hoch herum aus Norden und Nordosten relativ kalte Luft über die östlichen Balkanländer und das westliche Schwarze Meer über den Bosporus bis in die südliche Ägäis geführt. Gleichzeitig pumpt ein Tief, das sich über der Türkei festgesetzt hat, entgegen dem Uhrzeigersinn warme Luft aus Süden und Südosten weit nach Norden bis über das östliche Schwarze Meer. Damit etabliert sich ein eher meridionaler Austausch der Luftmassen, der dafür sorgt, dass sich die beiden Luftdruckgebilde festgebissen haben und erstmal nicht daran denken, weiter zu ziehen.
Nun ja, diese Temperaturgegensätze führen zu einer Verschärfung der Luftdruckgegensätze auf relativ engem Raum, die mit der Höhe noch zunehmen. Das bedeutet unter anderem viel Wind für diese Region, speziell über den Meeresoberflächen. Dort ist ja bekanntlich die Reibung, also der Widerstand, auf den die Luftbewegung trifft, geringer. Folglich treten über der See generell höhere Windgeschwindigkeiten auf.
Dazu kommt ein weiterer Effekt. Derzeit weist das westliche Schwarze Meer Wassertemperaturen so um die 10 Grad, die Ägäis so um die 15 Grad auf. In rund 1500 m Höhe herrschen dagegen in dieser Region zwischen 0 und -2 Grad. Durch die Temperaturunterschiede zwischen relativ warmer Meeresoberfläche und der Umgebungsluft (bis in rund 1500 m Höhe) tritt ein signifikanter vertikaler Temperaturgradient auf, der zu verstärkten Vertikalbewegungen (Aufsteigen der wärmeren Luft über dem Meer und kompensatorisches Absinken kälterer Luft aus der Höhe) führt. Damit sind die Voraussetzungen gegeben für ein verstärktes Heruntermischen des ohnehin sehr starken Höhenwindes (siehe auch Thema des Tages vom 06.01.2020: https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2020/1/6.html).
Dabei traten im Verlauf des Sonntags teils schwere Sturmböen an der Schwarzmeerküste in Bulgarien (Burgas 101 km/h, Bft 10) auf, an der Ägäis-Küste im Norden Griechenlands wurden sogar einzelne orkanartige Böen registriert (Alexandropoulis 104 km/h, Bft 11). In der beigefügten Abbildung sind die 6-stündig aufgetretenen maximalen Böen am Sonntag, den 05.April 2020 im Zeitraum von 14 bis 20 Uhr Ortszeit aufgeführt.
Über dem offenen Meer sind sicher noch höhere Windgeschwindigkeiten aufgetreten (siehe Anmerkungen oben), dort verfügen wir allerdings nicht über entsprechende Messstationen.
Dr. rer. nat. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst