Warm Conveyor Belts, 2 von 2
Im ersten Teil wurde bereits ein Überblick gegeben. Im folgenden Beitrag soll nochmal näher auf Vorhersageunsicherheit, Konvektion und Beeinflussung von großräumigen Zirkulationen eingegangen werden.
Warm Conveyor Belts (WCBs) sind häufig an synoptische Lagen geknüpft, die eine größere Vorhersageunsicherheit beinhalten. Die Gründe hierfür sind sowohl vielfältig als auch komplex.
Innerhalb dieser riesigen Transportbänder treffen großräumige synoptische Vorgänge in Bezug auf die Verlagerung und Vermischung von Luftmassen verschiedener Herkunft auf diverse mikrophysikalische Prozesse in den verschiedenen Wolkenarten in der unteren (reine Wasserwolken), mittleren (Mischwolken) und oberen Troposphäre (überwiegend Eiswolken).
Bei den verschiedenen Phasenübergängen wie Verdunstung, Kondensation, Schmelzen oder Eisbildung werden große Mengen an so genannter latenter (nicht fühlbarer) Wärme freigesetzt, die die dynamischen Prozesse von der unteren bis zur oberen Troposphäre maßgeblich beeinflussen.
Nun lehrt uns der 2. Hauptsatz der Thermodynamik, dass bei allen physikalischen Prozessen in abgeschlossenen Systemen, wo Wärme freigesetzt wird, die Entropie (oder auch Unordnung) eines Systems zunehmen muss. Damit nimmt bei diesen so genannten diabatischen Prozessen (d.h. von außen wird einem System Wärme zugeführt) grob gesagt die Unsicherheit zu, wie sich das System (hier synoptische Skala) zeitlich entwickelt. Hier kommen die Chaos-Theorie ebenso ins Spiel wie turbulente Vorgänge, mit dessen Hilfe in der Natur Temperaturunterschiede generell effektiv und kurzfristig ausgeglichen werden, wobei am Ende jedoch die Unordnung zunimmt bzw. den wahrscheinlicheren Zustand darstellt (Ludwig Bolzmann).
Nicht minder schwierig gestaltet sich für die Wettermodelle die exakte Beschreibung der meteorologischen Ausgangsbedingungen wie z.B. Wind, Feuchte, Vertikalbewegungen, (Eis-)wassergehalt der Wolken, Turbulenzzustand (Erfassung durch Beobachtungsdaten, Fernerkundung, Vertikalschnitte durch die Atmosphäre, abgeleitete und berechnete Größen etc.).
Kompliziert gestaltet sich die Dynamik der Atmosphäre auch in der Nähe der Tropopause (in etwa 9 bis 12 km Höhe). Diese ist durch nichtlineare Prozesse und Wechselwirkungen gekennzeichnet. Dort verläuft ein Starkwindband (Jet-Stream), wo extreme Windgeschwindigkeiten auf engstem Raum auftreten können. Im Polarfront-Jet-Stream der mittleren Breiten können z.B. Geschwindigkeiten von 150 bis etwa 350 km/h erreicht werden (siehe: https://www.dwd.de/DE/service/lexikon/begriffe/J/Jetstream_pdf.pdf).
Dieser Jet-Stream wird nun durch die aufsteigenden und sich polwärts ausbreitenden WCBs irgendwann erreicht und auch modifiziert. So bewirken die relativ warmen Luftmassen aus Süden grob gesagt einen Druckanstieg in der oberen Troposphäre. Das kann (muss aber nicht) stromabwärts der Strömung zur Ausbildung eines kräftigen Hochdruckgebietes führen (vom Boden bis in die obere Troposphäre). Die Folge davon ist ein stärkeres Mäandrieren des Jet-Streams, wodurch eine Welle mit einer Länge von rund 10 000 km entstehen kann. Stromaufwärts sind dabei oft intensive und rapide atlantische Tiefdruckentwicklungen der mittleren Breiten zu beobachten. In der angefügten Grafik ist diese Wellenbildung (Teil der so genannten planetaren oder zirkumpolaren Welle) anschaulich dargestellt.
Am Ende verlassen wir die Skala der planetaren Wellen und gehen nochmals in den Bereich unter 10 km Reichweite zurück, wo mitunter konvektive Prozesse dominieren. Neben dem im ersten Teil des Beitrags ( https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2020/3/15.html ) beschriebenen langsamen polwärts gerichteten Aufstieg warmer und feuchter subtropischer Luftmassen, der häufig mit flächigen Niederschlägen einhergeht, existieren auch Bereiche mit schnellem Aufstieg dieser Luftmassen durch lokale Instabilitäten innerhalb der vertikalen Luftschichtung (stärkere vertikale Temperaturabnahme). Diese Faktoren können hochreichende Konvektion mit Schauern und Gewittern auslösen, die oft eingebettet oder eingelagert auftritt (Embedded Convection). Das bedeutet, dass diese Art von Konvektion sehr lokal entsteht und oft von zusätzlichen diabatischen Faktoren in der unteren und mittleren Troposphäre forciert wird.
Genau diese kleinskalige Aufheizung durch Freisetzung latenter Wärmemengen stellt für die Wettermodelle neben mikrophysikalischen Prozessen bei der Wolken- und Niederschlagsbildung nach wie vor eine Herausforderung dar. Daher richten aktuelle Forschungsbemühungen mehr und mehr den Fokus in diese Richtung. Denn diese kleinskaligen Fehler summieren sich zeitlich und räumlich auf und beeinträchtigen gerade in der Vorhersagefrist ab 3 Tagen die Prognosegüte mitunter erheblich.
Dr. rer. nat. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst