Expedition zur Sonne

Vor wenigen Tagen ist die europäische Raumsonde "Solar Orbiter" erfolgreich zu ihrer Mission gestartet. Rund zehn Jahre lang soll sie neue Erkenntnisse über die Sonne und den Sonnenwind sammeln - und damit auch zu einer Verbesserung der Vorhersage des Weltraumwetters führen.

Montagmorgen 5 Uhr (MEZ), Cape Canaveral im US-Bundesstaat Florida: Es herrscht gespannte Aufregung am Weltraumbahnhof, in wenigen Minuten wird die "Atlas V 411" - Rakete ins All abheben. Was schon allein spannend genug ist, wird durch den weiblichen "Stargast" an Bord noch getoppt: Erst 4 Monate ist sie alt, bringt aber schon satte 1,8 Tonnen auf die Waage und an ihrer Zeugung waren - nun ja - mehrere Personen beteiligt. Ihren Kleidungsstil könnte man als gleichermaßen elegant wie funktionell beschreiben, trägt sie doch einen schwarzen Mantel aus Titan. Dieser dient als hochwertiger Hitzeschutz (was für den meist blassen Teint von Reisenden europäischer Abstammung ohnehin empfehlenswert ist), allerdings würde an ihrem Reiseziel auch jegliche Sonnencreme versagen. Die für lange Urlaubsfahrten typische "Wann sind wir da?" - Frage ließe sich ihr entweder mit einem klassischen "bald" beantworten - oder mit einem ehrlicheren "in dreieinhalb Jahren". "Solar Orbiter" - so der Name unserer kürzlich gestarteten Langstreckenfliegerin - ist eine Raumsonde und ihre Sonnenmission die bislang ambitionierteste der Europäischen Raumfahrtagentur ESA. Von den rund 150 Millionen Kilometern zwischen Erde und Sonne soll sie bis auf 42 Millionen Kilometer an den "Feuerball" heranfliegen. Ein kurzes Lebenszeichen via Radiosignal an ihre vielen Fans auf der Erde wird dann 16,5 Minuten brauchen.

Umwege, Verschnaufpausen oder einfach mal machen, worauf sie Lust hat, werden der Sonde auf ihrer Reise jedoch verwehrt: Sie wird "fremdgesteuert", und zwar vom Europäischen Raumflugkontrollzentrum in Darmstadt. Um so nah an die Sonne heranzukommen, muss die Raumsonde die Bahnebene der Erde verlassen, was eine weitere Besonderheit dieser Mission ist: Denn fast alle ihrer Sonden-Kolleginnen, die bisher Messdaten von der Sonne gesammelt haben, flogen in der Ebene, in der die Erde um die Sonne kreist. Ihnen bot sich also ein ähnlicher Blick wie allen erdgebundenen Sonnenteleskopen - mitten auf den "Bauch" der Sonne. So blieben die Pole der Sonne bisher nahezu unerforscht.

Eine der Hauptaufgaben der neugierigen Reisenden lautet also: Neue Regionen ausspähen und möglichst viele Bilder knipsen! Außerdem soll sie mithilfe von zehn Instrumenten die turbulente Sonnenoberfläche, deren heiße äußere Atmosphäre und den Sonnenwind ins Visier nehmen.

Denn zuhause brennen ihren Fans und Astrophysikern viele Fragen auf der Brust: Wie entsteht das Magnetfeld der Sonne tief in ihrem Innern? Durch welche magnetischen Prozesse gelingt es der Sonne, die Korona auf unvorstellbare eine Million Grad zu heizen? Und wie katapultiert sie die Sonnenwindteilchen mit Geschwindigkeiten von teilweise mehr als 700 Kilometern pro Sekunde ins All?

Ganz schön große Erwartungen lasten also auf den Schultern der jungen "Späherin". Dabei sind sich Forscher recht einig, dass die Pole der Sonne das bisher noch fehlende Puzzleteil bei all den offenen Fragen sind. Denn die Pole seien, so Prof. Sami Solanki, Direktor des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung, "der Schlüssel zum Magnetfeld. Und dieses Magnetfeld treibt alles andere an, die Eruptionen, die heiße Korona und die Sonnenwinde".

Sonnenwinde bzw. Sonnenstürme, bei denen geladene Teilchen von der Sonne ins All strömen, haben auch Auswirkungen auf die Erde: Im Positiven das Naturschauspiel der Polarlichter - die man also quasi als die optisch schöne Seite des "Weltraumwetters" bezeichnen könnte. Bei sogenannten "koronalen Massenauswürfen", einer Sonneneruption, bei der Plasma in einer Größenordnung von mehreren zehn Milliarden Tonnen Masse in den Weltraum geschleudert wird, schwillt der sonst relativ konstant wehende Sonnenwind jedoch zu regelrechten Stoßwellen an. Das kann dann Satelliten, Navigationssysteme und auch Flugzeugelektronik stören oder Stromausfälle verursachen.

Bislang bleibt eine Vorwarnzeit von nur wenigen Stunden nach solch einer Sonneneruption. Ein weiteres Ziel der "Solar Orbiter" ist es also, die Vorhersagen des Weltraumwetters zu verbessern. Wir wünschen der Sonde viel Erfolg und einen guten Flug! - Und wenden uns derweil wieder dem "irdischen Wetter" zu ?

Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann

Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 14.02.2020

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