Die Verwendung von Radiosondenaufstiegen in der Meteorologie
Radiosondenaufstiege gibt es an bestimmten Stationen zu festen Zeiten auf der ganzen Welt verteilt. Wie nützlich diese für den Meteorologen sind, soll im folgenden Beitrag kurz dargestellt werden.
Unter einem Radiosondenaufstieg versteht man die Gewinnung von Messwerten durch eine Sonde, die mit Radiosignalen Messdaten übermitteln kann. Diese wird durch einen gasgefüllten Ballon (mit Helium, das leichter ist als Luft) zum Aufsteigen gebracht. Der Wetterballon steigt somit in den Himmel auf und die Radiosonde trägt mit einem Sender versehen diverse Messeinrichtungen mit sich. Der Wetterballon erreicht im Durchschnitt Höhen von rund 35 Kilometer. Durch den sinkenden Luftdruck in der Höhe dehnt sich der Ballon immer mehr aus und platzt irgendwann. Durch einen kleinen Fallschirm sinkt die Radiosonde anschließend wieder zurück zum Boden.
Mit einem Radiosondenaufstieg bekommen wir genaue Informationen über die verschiedenen Luftschichten in der Atmosphäre. Folgende Messwerte werden mit der Radiosonde erfasst:
Luftdruck;
Luftfeuchtigkeit und Lufttemperatur, daraus abgeleitet den Taupunkt (die Temperatur, bei der 100% relative Luftfeuchtigkeit vorherrscht und die Luft kondensiert, sich also winzige Wassertröpfchen bilden);
sowie indirekt durch den Windversatz oder auch Winddrift genannt die Windrichtung und ungefähre Windgeschwindigkeit in verschiedenen Höhen.
Radiosondenaufstiege erfolgen weltweit an zahlreichen Orten und zu immer ganz bestimmten Uhrzeiten. Meist zu den Terminen 12 und 00 UTC, an manchen Stationen auch zusätzlich um 06 und 18 UTC (koordinierte Weltzeit oder auch Greenwich Zeit). Das wäre bei uns zur mitteleuropäischen Zeit (Winterzeit) jeweils eine Stunde später. In Deutschland erfolgen regelmäßige Aufstiege z.B. auf Norderney und in Lindenberg, Essen und München.
Die gesammelten Messwerte werden durch die Radiosonde gesendet und per Computer ausgewertet. Aus den Messwerten werden Diagramme (Temps oder Soundings genannt) erstellt, welche den Zustand der Atmosphäre um die jeweilige Station herum charakterisiert.
Wozu benötigt der Meteorologe im operationellen Dienst diese Messwerte?
Die ermittelten Messwerte fließen einerseits in die Berechnung von numerischen Wettermodellen ein und liefern wichtige Informationen über den Ausgangszustand der Atmosphäre. Zusätzlich können wir Meteorologen sie punktuell z.B. für die Kürzestfristvorhersage (rund 1 bis 6 Stunden) nutzen. So lässt sich zum Beispiel erkennen, in welchen Höhen sich Wolken oder auch Nebel befinden, aber auch, ob es im Winter in der Höhe eine Schicht mit Temperaturumkehr und positiven Temperaturen (Inversion genannt) gibt, die bei Niederschlag und Frost am Boden mitunter für Glatteisregen sorgen kann. Ebenso lässt sich mit Hilfe der Diagramme relativ schnell sagen, ob Schnee oder Regen am Boden zu erwarten ist bzw. wie hoch die Schneefallgrenze liegt. In den Sommermonaten rückt die Kürzestfrist-Gewittervorhersage in den Fokus. Mit den Temps lässt sich erkennen, ob die vertikale Schichtung labil ist (starke Temperaturabnahme mit der Höhe), genug Feuchtigkeit vor allem in den unteren Schichten verfügbar ist und damit Gewitter überhaupt erst entstehen können. Auch die Art bzw. Langlebigkeit und Schwere der zu erwartenden Gewitter (einschließlich deren Begleiterscheinungen) können aufgrund der Zunahme der Windgeschwindigkeit und Änderung der Windrichtung mit der Höhe zumindest abgeschätzt werden.
Das folgende Diagramm zeigt die Ergebnisse des Radiosondenaufstieges vom 09.11.2019 (00 UTC/01 Uhr MEZ). Auf der x-Achse finden Sie die Temperatur, auf der y-Achse ist die Höhe in Hektopascal dargestellt. Der Luftdruck nimmt bekanntermaßen mit der Höhe ab und für Meteorologen ist es wichtig zu wissen, auf welchem Druckniveau (z. B. 850 hPa (~1500m) oder 500 hPa (~5500m)) welche Temperatur herrscht. Rechts ist zudem mit Windfiedern die Windrichtung und -geschwindigkeit dargestellt. Die durchgezeichnete Linie ist der Verlauf der Temperatur, die gestrichelte Linie zeigt den Taupunkt als Feuchtemaß an.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Soundings wichtige (Zusatz)informationen über den momentanen Zustand und insbesondere die vertikale Schichtung der Atmosphäre liefern. Damit geben sie uns Meteorologen wichtige Hinweise auf zu erwartende Wettererscheinungen und deuten auch eventuelle Abweichungen zu den vorliegenden numerischen Wettermodellen an. Allerdings sind es wie gesagt punktuelle Bestandsaufnahmen. Man bekommt also lediglich einen kleinen Einblick in den dreidimensionalen Zustand der Atmosphäre zu einem bestimmten Zeitpunkt.
Dr. rer. nat. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst