Eiskratzer schon im Einsatz?
Heute schon gekratzt? Der Blick auf die heutigen Tiefstwerte verrät, dass die Wahrscheinlichkeit für morgendliche Zusatzaufgaben deutlich ansteigt. Allerdings gilt dies nur vorübergehend, denn die Nacht zum Freitag ist für einige Zeit auch schon wieder die letzte Frostnacht.
Traditionell werden in manchen Medien Ende Oktober sowie Anfang November Umfragen veröffentlicht, die sich mit dem nahenden Winter beschäftigen. Die häufigste Frage dreht sich meistens darum, welche Auswirkung des Winters die Bevölkerung am meisten nerve (dabei wird fälschlicherweise oft angenommen, dass es keine Winterliebhaber gebe). Aufgrund der offenen Fragestellung sind die Antworten natürlich sehr vielseitig, jedoch kristallisiert sich meistens das "Eiskratzen" am Auto als eine der Top-Antworten heraus.
Besonders jene Autofahrer, deren Arbeitsbeginn sehr früh stattfindet, müssen an frostigen Tagen zwangsläufig einige Minuten mehr in ihre morgendliche Routine einplanen. Nun wäre es natürlich ungeschickt, wenn man sich den Wecker einige Minuten früher stellt, aber schlussendlich nicht gekratzt werden muss. Um dies zu verhindern, werden von manchen am Vorabend nochmals die Prognosen in der Wetter-App kontrolliert oder sofort nach dem Aufstehen die aktuellen Messwerte gecheckt. Zeigen diese keinen Frost, gibt es noch ein paar Minuten "Bonusschlaf". Doch sind diese Methoden wirklich immer zutreffend?
Die Standardmesshöhe für jene Lufttemperaturen, die in den meisten Wetter-Apps angeboten werden, ist mit 2 m festgelegt. Damit liegt aber streng genommen nur eine Information darüber vor, wie die Temperatursituation oberhalb des Autodachs ist. Im Normalfall kühlen aber während der Nächte Oberflächen sowie der Boden stärker aus als die Luft an sich. Dies hat zur Folge, dass die in einer Höhe von 2 m gemessene Temperatur deutlich höher sein kann, als jene direkt am Boden. Aus diesem Grund wird an manchen Stationen auch die sogenannte "5-cm-Temperatur" ermittelt, die aber in vielen Anwendungen nicht prognostiziert wird.
Wie erwähnt, geben Körper in den Nachtstunden normalerweise Wärmeenergie ab. Diese (langwellige) Abstrahlung wird mit dem "Stefan-Boltzmann-Gesetz" beschrieben. In dieses geht neben einer Konstanten vor allem die Temperatur zur vierten Potenz (d.h. starke Temperaturabhängigkeit) und das materialspezifische sogenannte "Emissionsvermögen" ein (meist dargestellt mit dem griechischen Buchstaben Epsilon). Außerdem wird der Wärmeverlust an der Bodenoberfläche in geringem Maße durch den Bodenwärmestrom gedämpft (stärker im Herbst als im Frühling). Beide Randbedingungen führen nun dazu, dass die Oberfläche des PKWs (Glas und Metalle) sehr stark auskühlen kann und damit dessen Oberflächentemperatur sowohl von der 2-m-Temperatur als auch von den 5-cm-Werten abweicht.
In weiterer Folge erreicht die den PKW umgebende Luft im unmittelbaren Grenzbereich zur nun relativ kalten Oberfläche den Kondensationspunkt (d.h. die Luft ist gesättigt). Folgerichtig setzt sich auf dem PKW Tau ab. Wenn die Oberflächentemperatur weiter unter den Nullpunkt sinkt, gefriert der Tau und der Eiskratzer kommt zu seinem Einsatz.
Wie lässt sich nun dieses starke Abstrahlen des Autos verhindern? Am besten ist es, den PKW beispielsweise unter einem Vordach oder in einem Carport zur parken. Solange an den Bäumen noch einigermaßen viele Blätter sind, reicht eventuell auch schon ein Abstellen unter diesen. Die abgestrahlte Wärme verschwindet in diesen Fällen zum einen nicht sofort ins Weltall und zum anderen geben die "Dächer" selber Wärmestrahlung ab. Diesen Effekt gibt es natürlich auch, wenn Wolken über den Nachthimmel hinwegziehen.
Wenn Sie also in der nächsten Zeit die Frühtemperaturen prüfen, schauen Sie auch mal kurz aus dem Fenster. Funkeln die Sterne am Himmel, können Sie von den übermittelten Werten durchaus ein paar Grad abziehen. Allerdings zeigen die aktuellen Wetterkarten, dass die Nacht zum Freitag vorerst die letzte Frostnacht ist. Anschließend stellt sich eine wechselhafte und relativ milde Westwetterlage ein, die für Tiefstwerte deutlich über dem Nullpunkt sorgen wird.
Mag.rer.nat. Florian Bilgeri
Deutscher Wetterdienst