Der 100jährige Kalender
Dass die Wettervorhersage nicht immer richtig ist, ist hinlänglich bekannt. Die Prognosesicherheit ist zwar sehr gut, dennoch werden wir immer wieder, gerade bei Fehlprognosen, gefragt, warum wir nicht den 100-jährigen Kalender zurate ziehen.
Früher, und ich meine damit lange bevor es die Wissenschaft gab, wie wir sie heute kennen, mussten sich die Menschen auf andere Dinge verlassen, um das Wetter abschätzen zu können. In einem früheren Thema des Tages (https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2018/11/1.html) wurde bereits das tierische Gespür fürs Wetter beschrieben. Doch auf die Tiere allein und auf die Aussagen der Alten und Weisen im Dorf, wollte sich nicht jeder verlassen.
Im Bistum Bamberg wollte der Abt Moritz Knauer im 16. Jahrhundert durch regelmäßige Wetterbeobachtung und daraus abgeleiteten Vorhersagen zu Ernte und Aussaat die Landwirtschaft unterstützen. Er führte von 1652 bis 1659 Tagebuch über das Wetter. Nach den 7 Jahren stellte er die Beobachtung ein, denn damals glaubte man, dass das Wetter von den 7 "Planeten" Saturn, Jupiter, Mars, Sonne, Venus, Merkur und Mond bestimmt wurde, die sich jährlich abwechselten. Nach 7 Jahren würde sich demnach das Wetter wiederholen.
Das erste Jahr, das Saturnjahr, beschrieb er als feucht und kalt. Das Zweite, das Jahr des Jupiters, als ziemlich warm und trocken. Das Marsjahr, drittes Jahr, beschrieb er als trocken mit heißen Sommern. Das Sonnenjahr war Knauers Beschreibung nach mäßig warm und trocken, das Venusjahr warm und trocken, mit einem schwülen Sommer. Das sechste Jahr, das Merkurjahr, war kalt und trocken und das siebte Jahr, das Mondjahr, kalt und feucht, allerdings mit einer Tendenz zu warmen Sommern.
Seine Beobachtungen konnte er nicht mehr veröffentlichen, denn er starb 1664, nur 6 Jahre nach Beendigung seiner Wetterbeobachtung. Wenige Jahre später veröffentlichte jedoch der Arzt Hellwig aus Frankfurt den Kalender, zusammen mit der Angabe, an welchen Jahren zwischen 1701 und 1801 welcher Planet für welches Jahr zuständig war. Aus dieser Zeit stammt die Bezeichnung "100-jähriger Kalender".
Dieses Jahr, also das Jahr 2019, ist übrigens ein Merkurjahr. Nach dem 100-jährigen Kalender soll es eher trocken und kalt sein. Für den August prophezeit der Kalender einen Beginn mit großer Hitze, dann eine Woche mit Regen und Sturm, gefolgt von wechselhaftem oder "unschönem" Wetter. Zum Ende des Monats sagt er recht schöne und warme Tage vorher. Tatsächlich startete der Monat August zwar warm, die große Hitze folgte aber in der "stürmischen und regnerischen" zweiten Woche. Die vergangenen Tage waren immerhin gebietsweise wechselhaft und auch deutlich kühler, als zuvor, passen also grob zur schwammigen Aussage von "unschönem Wetter".
Heute wissen wir, dass weder Planeten noch der Mond für unser Wetter verantwortlich sind. Daher ist der 100-jährige Kalender keine Hilfe bei einer professionellen Wettervorhersage. Einzig die Sonne hat Einfluss auf unser Wetter. Die langjährige Wetterbeobachtung hat uns auch gelehrt, dass es keine rhythmische Wiederkehr des Wetters gibt. Zwar kann man mit Hilfe des 100-jährigen Kalenders auch mal einen Treffer bei der Vorhersage landen, die Anzahl der Fehlprognosen wird aber überwiegen. Setzt man beides ins Verhältnis, so kommt man auf wenig brauchbare Wettervorhersage aus diesem Kalender.
Dipl.-Met. Jacqueline Kernn
Deutscher Wetterdienst