Aqua, quo vadis? ? Die Weltreise des Meerwassers
Über die Bedeutung mancher Aktions- und Gedenktage lässt sich sicherlich streiten. Am heutigen Tag des Wassers ist es aber wohl mehr als angemessen, einmal innezuhalten und sich die Bedeutung des Wassers vor Augen zu führen, denn ohne Wasser kein Leben. Wetter gäbe es natürlich auch ohne Wasser, denn genau genommen bezeichnet der Begriff Wetter nichts anderes als den physikalischen Zustand der Atmosphäre an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt. Aber das Wetter ohne Wasser (und damit auch ohne Wolken, Niederschlag, etc.) würde sich deutlich von dem unterscheiden, wie wir es kennen. Das dürfte vielen aber egal sein, denn... genau: ohne Wasser kein Leben!
Mit dem groben Kreislauf des Wassers wird man bereits in der Schule konfrontiert: Wasser verdunstet zu Wasserdampf, dieser steigt auf und kondensiert zu Wolken, die wiederum das Wasser in fester oder flüssiger Form zurück zur Erde schicken. Zu den größten Wasserdampflieferanten zählen dabei natürlich die Ozeane. Aber macht deren Wasser wirklich nichts anderes als auf das Verdunsten zu warten? Wenn man schon so fragt, ist die Antwort natürlich ein klares Nein! Das Meerwasser zeigt sich sogar als ungemein reisefreudig, man denke z.B. an den Golfstrom, der warmes Oberflächenwasser vom Golf von Mexiko in den Nordatlantik führt und so maßgeblich verantwortlich für das milde Klima in Deutschland ist.
Neben solchen Oberflächenströmungen gibt es auch entsprechende Bewegungen in der Tiefe. Beides zusammen ergibt ein globales Strömungssystem: die thermohaline Zirkulation oder auch "globales Förderband" genannt (siehe angehängte Grafik; rote Pfeile: warmes Oberflächenwasser, blaue Pfeile: kaltes Tiefenwasser). Entscheidend sind hierbei Temperatur und Salzgehalt des Wassers, da sie dessen Dichte bestimmen. Diese nimmt ab, je höher die Temperatur bzw. je niedriger der Salzgehalt des Wassers ist. Kühlt das Wasser dagegen ab oder nimmt der Salzgehalt zu, erhöht sich die Dichte des Wassers. Wie für Luft gilt auch für Wasser, dass sich Schichten mit geringerer Dichte über solche mit größerer Dichte schieben bzw. aufsteigen und umgekehrt.
Wenden wir diesen Zusammenhang doch am besten gleich mal an und begeben uns auf eine Reise durch die Weltmeere. Gestartet wird im Nordatlantik, wo das Wasser zum einen stark abkühlt (z.B. durch das Überströmen kalter Luftmassen) und zum anderen durch Verdunstung auch einen erhöhten Salzgehalt besitzt. Bei der Verdunstung geht nämlich nur das Wasser in Wasserdampf über, das Salz aber bleibt zurück. Durch die Kombination aus Abkühlung und "Versalzung" nimmt die Dichte des Oberflächenwassers im Nordatlantik stark zu und sinkt in der Folge ab. Im Anschluss durchquert diese Tiefenströmung den gesamten Atlantik bis sie an dessen Südausgang in den sog. Zirkumpolarstrom mündet. Dabei handelt es sich um eine Strömung, die im Uhrzeigersinn um die Antarktis verläuft.
Über diesen Wirbel gelangt nun ein Teil des Tiefenwassers in den Indischen, ein anderer Teil in den Pazifischen Ozean. Im Pazifik angekommen, wird das Wasser unter allmählicher Erwärmung nordwärts über den Äquator geführt und steigt wieder auf. Als warme Oberflächenströmung geht es nun, getrieben von den Passatwinden, an Indonesien vorbei in den indischen Ozean. Dort "wartet" bereits ein Teil des nun ebenfalls erwärmten und aufgestiegenen Wassers, das zuvor im Zirkumpolarstrom eine Ausfahrt früher genommen hatte. Zusammen führt die Reise weiter um die Südspitze Afrikas quer durch den Atlantik bis zum Golf von Mexiko und als Golfstrom wieder zurück in den Nordatlantik. Dort endet schließlich das Abenteuer ? aber nur für uns. Denn durch die Abkühlung und Verdunstung (höherer Salzgehalt!) des Golfstromwassers sinkt dieses wieder ab und beginnt die lange Reise von neuem.
Wie Sie vermutlich während des Lesens gemerkt haben, war dies nur eine sehr grobe Beschreibung dieser an sich höchst komplexen Zirkulation. Auch Wind und Erddrehung haben einen großen Einfluss auf die Meeresbewegungen (Stichwort Ekman-Transport), deren Behandlung an dieser Stelle jedoch den Rahmen sprengen würde.
Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst