Von Höhentiefs und Vorhersageunsicherheiten
Eigentlich könnte es so einfach sein: Ein sich kräftigendes Bodenhoch liegt nahezu ortsfest über dem Baltikum und beeinflusst Deutschland. Es wäre also anzunehmen, dass sich länger freundliches und trockenes Wetter an allen Tagen in den Vorhersagetexten finden lässt. Allerdings heißt hoher Luftdruck am Boden nicht zwingend, dass auch das Wetter dauerhaft sonnig und trocken ist.
Ein Phänomen, das bei hohem Luftdruck oft für wenig freundliches Wetter sorgt, ist der Nebel bzw. Hochnebel. Gerade bei windschwachen Verhältnissen in den Herbst- und Wintermonaten ist dieser häufig anzutreffen und kann sich auch am Tage längere Zeit halten oder sich zum Teil gar nicht auflösen. Die Höchstwerte liegen in den betroffenen Regionen signifikant niedriger als im Rest des Landes. Heute und morgen ist dieses wieder Phänomen über Teilen des Südens und der Mitte vortrefflich zu beobachten.
Eine weitere Möglichkeit für trübes und zum Teil nasses Wetter unter Hochdruckeinfluss sind die sogenannten Höhentiefs. Aber was ist eigentlich ein Höhentief? Wetterkarten, die man in der Zeitung oder andernorts findet, stellen immer die Situation am Boden dar. In der Wettervorhersage sind aber auch höhere Luftschichten sehr wichtig, zum Beispiel in einem Höhenniveau von etwa 5500 m (500 hPa). Auch in diesen Höhen lassen sich Wetterkarten zeichnen und auch dort findet man Hochs und Tiefs. Diese umspannen die mittleren Breiten der Nord- und Südhalbkugel wellenförmig und werden Keile und Tröge genannt. Manchmal findet man aber auch abgeschlossene Druckgebilde wie am Boden. Man nennt sie dann Höhenhochs und Höhentiefs. Oftmals wird die Entwicklung am Boden von höheren Luftschichten beeinflusst. Die dort befindlichen Tröge können die Entstehung eines Sturmtiefs am Boden zur Folge haben. Genauso sind Höhenkeile oft verantwortlich für die Ausbildung von Hochdruckgebieten. Manchmal kommt es aber auch vor, dass sich Höhentiefs überhaupt nicht am Boden widerspiegeln. Dann nennt man diese: "Kaltlufttropfen".
Genau diese kleinräumigen Kaltlufttropfen stellen die Wettermodelle auch heute noch vor größere Schwierigkeiten. Angereichert mit feuchten und kalten Luftmassen sorgen sie zum Teil für trübes und graues Wetter oder auch Schauer und Gewitter. Entscheidend sind die genaue Zugbahn und Stärke dieser Höhentiefs und eben diese lassen sich nur schwierig vorhersagen.
Ein gutes Beispiel ist die Entwicklung zum Ende dieser Woche. So wird in der Nacht zum Freitag die Entwicklung eines eigenständigen Höhentiefs über Frankreich vorhergesagt, das anschließend südwärts in Richtung Norditalien ziehen soll, während gleichzeitig am Boden hoher Luftdruck vorhergesagt wird. Das zeigt zumindest die Version des amerikanischen Modells (GFS) von heute Morgen (08.10.2018). Das Problem dabei ist allerdings: Andere Wettermodelle zeigen eine ganz andere Entwicklung. Nehmen wir beispielsweise das europäische Modell (ECMWF). Dort wird zwar auch die Entwicklung eines Kaltlufttropfens vorhergesagt, allerdings soll dieser über dem Norden Deutschlands ostwärts ziehen.
Selbst innerhalb eines Wettermodells gibt es große Unterschiede. Nehmen wir noch einmal das GFS. Zum einen werden die Vorhersagen dieses Modells alle 6 Stunden neu erzeugt, zum anderen wird das Modell bei jedem Lauf nicht nur einmal, sondern immer 20-mal berechnet. Die Ist-Situation, mit der die Modellberechnungen starten, ist dabei jedes Mal leicht unterschiedlich. Schaut man sich die resultierenden 20 Berechnungen des aktuellen Modelllaufs an, dann zeigt sich die volle Bandbreite an Lösungen für den Freitag. Manche Berechnungen zeigen das Höhentief über dem Norden, andere über der Mitte oder dem Süden von Deutschland. Es gibt sogar Prognosen, bei denen der Kaltlufttropfen gar nicht auftaucht.
Eine genaue Vorhersage von Wolkenbedeckung und Temperatur ist damit für den Freitag aus heutiger Sicht quasi unmöglich. Damit ergibt sich auch das Phänomen, dass Vorhersagen für einen längeren Vorhersagezeitraum derzeit sicherer sind, als für einen kürzeren Prognosehorizont. So weiß man zwar nicht, was genau am Freitag passiert, kann aber mit einiger Sicherheit sagen, dass das darauffolgende Wochenende außerhalb von Nebel- und Hochnebelgebieten störungsfrei, freundlich und mild wird.
Für eine Wetterprognose ist es also wichtig, die Atmosphäre räumlich dreidimensional zu betrachten. Die Bodenwetterkarte allein ist nur eine von vielen Bausteinen, die über die weitere Entwicklung des Wetters entscheidet.
Dipl.-Met. Marcus Beyer
Deutscher Wetterdienst