Wenn Seen rauchen
Schlagartig wandelte sich in den letzten Tagen das Straßenbild, denn die fast schon in Vergessenheit geratenen Herbst- oder Winterjacken wurden schnell wieder aus den Schränken geholt. Dies ist nicht weiter verwunderlich, denn in den vergangenen Nächten kam es verbreitet zu Frost in Bodennähe, in der Nacht zum Mittwoch gab es in den südlichen Landesteilen sogar verbreitet Luftfrost (gemessen in 2 m Höhe über Grund). Verantwortlich dafür war das noch immer wetterbestimmende Hochdruckgebiet SCHORSE mit Schwerpunkt über Südosteuropa, das vor allem im Süden und in Teilen der Mitte Deutschlands für eine starke nächtliche Auskühlung sorgte.
In diesem Zusammenhang kann von den Ufern der verschiedensten Seen zurzeit sehr gut der sogenannte "Seerauch" beobachtet werden, der besonders während des Sonnenaufgangs eine eindrucksvolle Szenerie liefert. Dabei steigen Fragmente von Nebelschwaden von der Seeoberfläche auf und verschwinden anschließend relativ schnell wieder. Der sich daher ständig bewegende Seerauch ist eine besondere Nebelform und gehört zur Klasse der Verdunstungsnebel. Wenn relativ warmes Wasser mit deutlich kälterer Umgebungsluft in Berührung kommt, resultieren daraus nämlich Verdunstungseffekte. Einer dünnen Luftschicht über dem See wird dabei unter Erwärmung Wasserdampf zugeführt. Damit einhergehend findet aber gerade über den größeren Seen auch eine starke Labilisierung der untersten Atmosphärenschicht statt, denn die nun erwärmte Luft steigt auf und mischt sich mit der relativ dazu kälteren Umgebungsluft. Bei diesem Mischungsvorgang kondensiert der Wasserdampf und der Seerauch entsteht. Da die kalte, trockenere Luft aber deutlich überwiegt, folgt beim weiteren vertikalen Aufsteigen der feuchten Luft rasch wieder die Verdunstung der Wassertröpfchen. Daher entsteht aus Seerauch in vielen Fällen auch kein "richtiger" Nebel.
Allerdings können tief liegende Inversionen (siehe DWD-Wetterlexikon) dafür sorgen, dass die dünne Luftschicht darunter langsam mit erhöhter Feuchte angereichert wird. Bei einem sehr großen See mit einem großen Wasserdampfangebot passiert es dann ab und zu, dass es zur erneuten Kondensation kommt. Die Inversion als atmosphärische Sperrschicht verhindert nun aber das weitere Aufsteigen der Luftpakete und damit die Einmischung von kalter, trockener Luft. Infolgedessen entsteht eine dünne (Hoch-) Nebelschicht, die aber im September mit Hilfe der Sonneneinstrahlung im Tagesverlauf häufig doch noch aufgelöst wird.
Für den atmosphärischen Effekt des Seerauchs ist die aktuelle Wetterlage geradezu prädestiniert. Der Spätsommer 2018 mit hohen Temperaturen reichte weit in den September hinein. Damit einhergehend weisen die Seen noch relativ hohe Wassertemperaturen zwischen 15 und 20 Grad auf. Hinter der Kaltfront von Sturmtief FABIENNE wurden nun aber vor ein paar Tagen Luftmassen aus arktischen Breiten herangeführt. Diese strichen über die warmen Seen und erzeugten dadurch den mystischen Seerauch.
Der Hochdruckeinfluss bestimmt auch am heutigen Donnerstag noch weitgehend das Wettergeschehen in weiten Teilen Deutschlands. Besonders in der Mitte und im Süden scheint die Sonne fast ungestört. Im Norden machen sich dagegen hochnebelartige Bewölkung sowie ein von der Nordsee ins südliche Schweden ziehendes Tief bemerkbar, dessen Kaltfront im Laufe der Nacht zum Freitag von Nordwesten her bis zu den zentralen Mittelgebirgen vorankommt und am späteren Freitagnachmittag die Alpen erreicht. Die einfließende Meeresluft subpolaren Ursprungs gelangt dann am Wochenende rasch wieder unter Hochdruckeinfluss, sodass an den Seen mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder der beeindruckende Seerauch beobachtet werden kann.
Mag.rer.nat. Florian Bilgeri
Deutscher Wetterdienst