?Strahlströme? oder ?Jetstreams?
Unter ?Strahlströmen? bzw. englisch ?Jetstreams? versteht man im Allgemeinen in der Atmosphäre auftretende Starkwindbänder mit quasi horizontaler Strömungsachse und extrem hohen Windgeschwindigkeiten, wie sie sonst auf der Erde nur in Tornados vorkommen. Sie haben normalerweise Ausdehnungen von einigen 1000 km Länge, sind in der Horizontalen einige 100 km breit und in der Vertikalen wenige Kilometer mächtig. Mit etwas Phantasie kann man sich ihre Gestalt bzw. besser ihr räumliches Geschwindigkeitsprofil als langen, flachen Schlauch, Strang oder eben als Band vorstellen, in dem die Strömung vom Rand zum Zentrum hin immer schneller wird.
Per definitionem weisen Strahlströme Windgeschwindigkeiten von mindestens 30 m/s (= 108 km/h, d.h. Orkanstärke!) auf, häufig werden Geschwindigkeiten von 70 bis 100 m/s (das entspricht ca. 250 bis 360 km/h) erreicht und die Höchstwerte dürften um 180 m/s (rund 650 km/h) liegen. Da die Strömungsgeschwindigkeit sowohl in vertikaler als auch in horizontaler Richtung rasch abnimmt, herrschen in Strahlströmen starke Windscherungen vor. In der Atmosphäre der Erde existieren verschiedene Strahlstromsysteme, von denen der ?Polarfront-Jetstream? oder einfach kurz ?Polarjet? genannte für die synoptisch-meteorologischen Prozesse in den mittleren Breiten am bedeutsamsten ist.
Der Polarfront-Jetstream verläuft generell in den höheren Mittelbreiten und liegt mit seiner Achse dicht unterhalb einer ?Tropopause? genannten, und mit Abschwächung, Isothermie oder Umkehr des vertikalen Temperaturgradienten einher gehenden, die Obergrenze der Troposphäre bildenden Schicht. Die Breitenlage des Polarfrontstrahlstroms ist eng mit derjenigen der Polarfront verbunden, dem Übergangsbereich zwischen warmen, ursprünglich (sub-)tropischen und kalten Luftmassen (sub-)polaren Ursprunges.
Hier bilden sich die das veränderliche Wetter der gemäßigten Breiten verursachenden, im Mittel von West nach Ost verlaufenden und einander abwechselnden Hoch- und Tiefdruckgebiete, die den meridionalen Temperaturausgleich bewerkstelligen. Dabei gelangt an der Ostseite (?Vorderseite?) der Tiefdruckgebiete warme Luft nordwärts und auf der Westseite (?Rückseite?) kalte Luft nach Süden.
Diese in den bodennahen Troposphärenschichten recht kompliziert und fragmentiert anmutende Struktur von Druckgebilden und Fronten wird von der in den höheren Schichten normalerweise weniger deformierten und eher ?glatten? Höhenströmung sozusagen mitgeschleppt bzw. ?gesteuert?, wobei das Niveau mit der größten Impulsdichte sich in etwa 5,5 km Höhe befindet und in den für die Wetteranalyse und ?prognose wichtigen Höhenwetterkarten durch die 500-hPa-Hauptdruckfläche repräsentiert wird.
Die Windgeschwindigkeiten der Höhenströmung nehmen aufgrund horizontaler Temperaturunterschiede zwischen den Warm- und Kaltluftmassen im Allgemeinen in der Vertikalen zu und erreichen ihr Maximum eben mit den Strahlströmen in Tropopausennähe. Da polwärts gerichtete Warmluftvorstöße und äquatorwärts voran kommende Kaltluftausbrüche die breitenkreisparallele Form der Frontalzone deformieren, schlängeln sich auch die korrespondierende Polarfrontstrahlströme als wellenförmige, bisweilen jedoch unterbrochene Starkwindbänder um beide Hemisphären der Erde. Auf der Nordhalbkugel schwankt sein Auftreten insgesamt zwischen etwa 40 und 70° nördlicher Breite, im Winter liegt der Polarjet im Mittel weiter südlich und ist aufgrund der größeren Temperaturunterschiede stärker ausgeprägt als im Sommer.
Neben ihren steuernden Einflüssen auf das Bodendruckfeld habe Strahlströme unmittelbaren Einfluss auf und große Bedeutung für die Luftfahrt, denn einerseits müssen Starkwindfelder bei der Flugplanung und Navigation berücksichtigt werden und andererseits stellt die durch die starken Windscherungen in Strahlströmen auftretende Turbulenz (englisch Clear Air Turbulence - CAT) eine nicht zu unterschätzende Gefahr für den Luftverkehr dar.
Dipl.-Met. Thomas Ruppert
Deutscher Wetterdienst