Heinrichsflut

Das Drama ereignet sich am 16. Juli 1965 ? also vor genau 53 Jahren. Bei Tagesanbruch wird es kaum hell, selbst tagsüber ist zeitweise die Straßenbeleuchtung eingeschaltet. Dann öffnet der Himmel seine Schleusen - über mehrere Stunden hält der gewittrige Starkregen an und verwandelt sonst so beschauliche Flüsse wie Twiste, Diemel, Lippe und Altenau in reißende Ströme. Ortschaften sind von der Außenwelt abgeschnitten, Menschen in den Fluten eingeschlossen. Vielerorts heulen die Sirenen pausenlos, der Katastrophenalarm wird ausgelöst. Besonders schwer betroffen sind Teile Ostwestfalens, Südniedersachsens, Nordhessens, der Nordosten Thüringens, der Süden Sachsen-Anhalts bis nach Sachsen hinein. 16 Menschen lassen in den Fluten ihr Leben.

Diese Katastrophe ging als "Heinrichsflut" in die Geschichtsbücher ein, da sie kurz nach dem Todestag (13. Juli 1024) des römisch-deutschen Kaisers Heinrich II. ihren Anfang nahm. Seltener findet man auch die Begriffe "Julihochwasser" beziehungsweise "Schwarzer Freitag von Waldeck" in diesem Zusammenhang.

Ausgangspunkt dieser Tragödie war eine Wetterlage, die der aktuellen brisanterweise gar nicht mal so unähnlich ist. Dabei blockiert ein Hoch über der Norwegischen See respektive Skandinavien atlantische Tiefdruckgebiete, die über Frankreich bis ins westliche Mittelmeer ausweichen müssen. Durch diese Konstellation bauen sich über Deutschland in der Regel starke Temperaturkontraste auf, wenn trocken-kühle Luft am Rande des Hochs aus Skandinavien auf feucht-warme Luft mit Ursprung aus dem zentralen Mittelmeer trifft. Zünglein an der Waage spielte damals zudem noch ein sogenannter "Kaltlufttropfen" (Erklärung siehe z.B. Thema des Tages vom 24.01.2017), der sich von Frankreich den betroffenen Regionen näherte und die Entwicklung kräftiger Regenfälle begünstigte. Zudem sorgten häufige Niederschläge im zurückliegenden Zeitraum bereits für volle Flüsse und gesättigte Böden. In Ostwestfalen fielen beispielsweise binnen 2 Tagen (15./16. Juli 1965) in Lichtenau/Westfalen 179 Liter pro Quadratmeter, in Büren 176 l/qm, in Paderborn 172 l/qm - der Großteil davon binnen weniger Stunden. Werte, die mehr als dem Doppelten entsprechen, was sonst in einem durchschnittlichen Juli in der Region zu erwarten ist. Nicht unerwähnt soll die nachteilig wirkende Orographie sein, denn viele Ortschaften befinden sich in einer Kessellage, die sich im Falle kräftiger Niederschläge wie eine Badewanne von allen Seiten füllt.

Auch wenn aktuell über dem Süden und Teilen der Mitte Deutschlands eine ähnlich energiereiche Luftmasse lauert, die sich am heutigen Montagnachmittag lokal wieder in Form unwetterartiger Starkregenfälle entlädt - räumliche Ausdehnung und absolute Mengen werden glücklicherweise bei weitem nicht die Ausmaße der "Heinrichsflut" erreichen. Nicht zuletzt dank infrastruktureller Anpassungsmaßnahmen (z.B. Schaffung großer Rückhaltebecken) wurden in der Vergangenheit zahlreiche Anstrengungen unternommen, um das Risiko vergleichbarer Auswirkungen in Zukunft zu minimieren.

Dipl.-Met. Robert Hausen

Deutscher Wetterdienst
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Offenbach, den 16.07.2018

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