Hydrologische Ungerechtigkeit
Was war das für eine denkwürdige Witterung in den vergangenen Wochen. Fast täglich sorgten schwere Gewitter regional für horrende Niederschlagsmengen. Teilweise fielen gleich mehrere Monatssummen an Niederschlag binnen weniger Stunden. Die schlimmen Bilder von regelrecht verwüsteten Ortschaften dürften den meisten noch gut in Erinnerung sein. Es ist nur allzu verständlich, dass die Aufmerksamkeit allseits diesen verheerenden Sturzfluten galt. Dabei gerät allerdings schnell in Vergessenheit, dass es einige Regionen in Deutschland gibt, die seit einer gefühlten Ewigkeit keinen nennenswerten Regen mehr abbekommen haben.
Es ist geradezu typisch, dass von konvektiven, also schauerartigen und gewittrigen Niederschlägen geprägte Wetterlagen zu einer maximal ungleichmäßigen Verteilung der Niederschlagsmengen führen. Zum einen sind Schauer und Gewitter per se eher kleinräumige Phänomene. Zum anderen herrschten überwiegend geringe Luftdruckgegensätze und damit schwache Winde in der Troposphäre, wodurch sich die Gewitter nicht oder nur sehr langsam verlagerten. Sie regneten wortwörtlich an Ort und Stelle ab, während es in den umliegenden Gebieten mitunter erst mal trocken blieb. Der Umstand, dass sich Gewitter in ganz bestimmten Regionen bevorzugt entwickeln wie z. B. über den Mittelgebirgen, forciert diese "hydrologische Ungerechtigkeit" sogar noch.
Die Karte der über 30 Tage aus Radardaten aufsummierten Niederschlagsmengen bis zum 31. Mai ist ein Paradebeispiel für einen Zeitraum, der quasi ausschließlich von konvektiven Regenfällen geprägt war (siehe Grafik auf https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2018/6/5.html). Extreme Unterschiede auf kleinstem Raum finden man fast überall in Deutschland. So gingen in Bruchweiler im Hunsrück im Mai beispielsweise sagenhafte 288 l/qm nieder (das entspricht mehr als der vierfachen Monatssumme), während im gerademal 60 km entfernten Ingelheim in Rheinhessen nur 45 l/qm zusammen kamen. Ähnlich ungleiche Verhältnisse zeigen sich zwischen Heimbach (140 l/qm) und Jülich (25 l/qm) auf einer Distanz von lediglich gut 30 km östlich von Aachen.
Neben diesen sehr kleinräumigen Diskrepanzen zeigt sich allerdings auch ein gewisses überregionales Ungleichgewicht. Denn in erster Näherung, gemittelt über eine größere Fläche, nimmt die Niederschlagsneigung von Südwest nach Nordost ab. Dies ist eine unmittelbare Folge der Großwetterlage, die dem Nordosten über längere Phasen Hochdruckeinfluss, zumindest aber deutlich trockenere Luftmassen, dem Südwesten dagegen fast durchweg Tiefdruckeinfluss und feucht-warme Luftmassen bescherte. Während sich die Baden-Württemberger im Mittel so über 89 l/qm - je nach persönlicher Präferenz - freuen oder ärgern durften, reichte es in Mecklenburg-Vorpommern nur zu 12,6 l/qm im Mai. In Wittenberg dürften die 0,4 l/qm gar nur der sprichwörtliche "Tropfen auf den heißen Stein" gewesen sein. Entsprechend unterschiedlich präsentiert sich mittlerweile auch die Natur von "saftig-grün" bis "braun-verbrannt".
Wenn Sie also das Gefühl haben, dass es überall regnet, nur bei Ihnen nicht, dann täuscht das nicht nur, Sie sind sogar in guter Gesellschaft. Wirklich "fair" wird es hinsichtlich der "Beregnung" in Deutschland übrigens auch in den kommenden Tagen nicht zugehen. Einer überwiegend sonnigen und trockenen Nordosthälfte steht ab Mittwoch eine Südwesthälfte gegenüber, die erneut von heftigen lokalen(!) Starkregenereignissen gebeutelt werden wird. Mehr dazu morgen...
Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst