Faszination Gewitter Tanzendes Leuchten

In den vergangenen Tagen konnte man sich ein weiteres Mal der Gefahr bewusst werden, die von einem Gewitter ausgeht. Häufig sind es die Begleiterscheinungen wie heftiger Starkregen, Orkanböen, großer Hagel oder Tornados, die enorme Schäden anrichten. Aber auch ein Blitzschlag kann ein Haus in Flammen aufgehen lassen oder sogar tödlich enden. Trotzdem faszinieren uns diese Gewalten der Natur auch immer wieder aufs Neue. Besonders die mit hohen elektrischen Spannungen zusammenhängenden Leuchterscheinungen sind dabei besonders schön anzusehen.

Bei der Bildung eines Gewitters steigen feuchte und energiereiche Luftmassen rasant auf. Dabei wird die Luft mit zunehmender Höhe schnell abgekühlt, sodass es zur Kondensation des in der Luft enthaltenen Wasserdampfes. Entsprechend kommt es zur Quellwolkenbildung, die schließlich zu einem ausgewachsenen Cumulonimbus (Gewitterwolke) heranwachsen. Im sogenannten Aufwindbereich des Cumulonimbus werden sehr viele Wassertröpfchen und Eiskristalle mit Geschwindigkeiten von über 100 Stundenkilometern in eisige Höhen, zum Teil über 10 km, katapultiert, um anschließend wieder in Richtung Erde zu fallen. Auf ihrem Weg durch die Gewitterwolke stoßen sie dabei aneinander, wodurch es zu einer elektrischen Ladungstrennung innerhalb der Wolke kommt. So entstehen zum einen positive Ladungen, die sich im oberen Bereich der Wolke ansammeln, zum anderen konzentrieren sich negative Ladungen im unteren Teil. Die Spannungen sind dabei erheblich und können bis zu 1.000.000.000 Volt betragen. Aufgrund dieser hohen Spannungen können unterschiedliche Phänomene entstehen. Blitze entstehen beispielsweise, um den Ladungsunterschied innerhalb der Wolke bzw. zwischen Wolke und Erdboden wieder auszugleichen. Am Nachmittag des diesjährigen Muttertags, dem 13. Mai 2018, konnte man in Würzburg gegen 16 Uhr jedoch eine weitere überaus seltene Erscheinung am Himmel ausmachen. An der Wolkenoberseite ließ sich ein gebogener Lichtstrahl beobachten, der hin und her hüpfte und scheinbar auf der Wolke tanzte. Das Video zum Thema des Tages (siehe Link weiter unten) wurde uns freundlicherweise von Sebastian Baranek zur Verfügung gestellt. Dieses mysteriöse Phänomen ist unter anderem als "crown flash" (dt. krönender Lichtstrahl) oder "leaping sundog" (dt. hüpfende oder springende Nebensonne) bekannt. Der Name der Erscheinung sowie deren erste wissenschaftliche Beschreibung geht übrigens auf einen Artikel in dem renommierten Magazin "Nature" aus dem Jahre 1971 zurück, wo dieses zum damaligen Zeitraum noch unbekannte Phänomen erstmals öffentlich beschrieben und sogleich mit dem Namen "crown flash" versehen wurde.

Aktuell existiert noch keine exakte wissenschaftliche Erklärung für diese faszinierende Erscheinung. Führende Theorien gehen davon aus, dass es sich dabei um einen Lichtstrahl handelt, der an kleinen Eiskristallen im oberen Bereich der Gewitterwolke gebrochen und reflektiert wird. Jedoch sieht der Beobachter am Boden die Reflexion nur, wenn er richtig zur Sonne steht. Das macht dieses Phänomen so selten.

Aber warum hüpft der Lichtstrahl? Die Eiskristalle an der Wolkenoberseite sind durch das elektromagnetische Feld der spannungsgeladenen Wolke in einer bestimmten Orientierung angeordnet und geben somit die Richtung der Reflexion vor. Kommt es nun zu einer Entladung, das heißt, blitzt es in der Gewitterwolke, ändert sich das Spannungsfeld, wodurch es zu einer ruckartigen Änderung der Ausrichtung der Eiskristalle und somit auch des Reflexionswinkels des Lichtstrahls kommt. Der Beobachter nimmt dies dann als ein Hüpfen des Lichtstrahls wahr. Weitere anschauliche Clips lassen sich bei einer Internetrecherche finden, zum Beispiel auf dem Videoportal YouTube, wo der Nutzer QuadeM13 dieses herrliche Beispiel im Jahr 2015 in Greenwood, Indiana (USA) beobachten konnte (siehe zweiter Link).

MSc.-Met. Sebastian Schappert

Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 29.05.2018

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