Tierische Wetterpropheten
Im Volksmund allgemein bekannt ist die Schwalbe als Wetterprophet. "Wenn die Schwalben niedrig fliegen, werden wir bald Regen kriegen. Fliegen sie bis in die Höh'n, bleibt das Wetter weiter schön." Tatsächlich kann häufig dieser Zusammenhang erkannt werden, allerdings nicht, weil die Schwalben tatsächlich wüssten, wie das Wetter wird. Eine Erklärung dafür liefert vielmehr das "Leibgericht" der Schwalben: Luftplankton. Diese winzigen biologischen Organismen (z.B. Bakterien, Pollen oder kleinste Tierchen) fliegen nicht oder kaum aus eigener Kraft, sondern verlagern sich mit der Luftbewegung. Herrscht nun eine (oft sonnige) Hochdruckwetterlage, steigt warme Luft auf und mit ihr die leichten Organismen. Dorthin folgen ihnen die Schwalbe oder andere Vögel wie der Mauersegler, der die "Leckerbissen" noch in über 3000 Meter Höhe einsammelt. Wenn sich erstmal eine stabile Hochdrucklage eingestellt hat, bleibt diese für gewöhnlich auch längere Zeit bestehen. Lässt der Hochdruckeinfluss nach und damit auch die aufsteigenden Luftmassen, halten sich Beute und Räuber gezwungenermaßen in deutlich niedrigerer Flughöhe auf.
Allzu genau sollte man die Bauernregel aber nicht nehmen, denn es muss nicht zwangsläufig immer schlechtes Wetter geben, nur weil die Schwalben in Bodennähe fliegen. Das kann auch einfach tageszeitbedingt sein, denn früh morgens gibt es auch bei schönem Wetter kaum Aufwinde. Erst im Laufe des Vormittags kann die Thermik mit Sonnenunterstützung ihre Wirkung entfalten und die Insekten nach oben tragen.
Der wahrscheinlich bekannteste tierische Wetterprophet ist der Wetterfrosch. Sein Quaken kündigt angeblich Regen an, ausgeprägter Klettertrieb gutes Wetter. Wissenschaftler der Universität Zürich sprechen den Fröschen jedoch jegliche Prophetenkunst ab. Ihr Quaken stünde ausschließlich in Zusammenhang mit ihrem Fortpflanzungstrieb. Und ihre Kletterfreudigkeit ginge lediglich auf ihre hungrigen Froschmägen zurück: Ähnlich wie bei den Schwalben befindet sich die Beute bei hohem Luftdruck - also meist gutem Wetter - weiter oben.
Wahrhaftig wetterfühlig sind allerdings Grillen. Sie sind wechselwarm, d.h. sie passen (wie alle Insekten) ihre Körperwärme der Außentemperatur an. Eine in den USA vorkommende Grillenart (Oecanthus fultoni) wird als "Thermometergrille" bezeichnet, weil ihre Zirp-Frequenz proportional zur Temperatur ist. Bei tiefen Temperaturen zirpt die Grille langsam, ist es warm, zirpt sie schneller. Das "Dolbearsche Gesetz" beschreibt diesen Zusammenhang: Zählt man 13 Sekunden lang, wie oft die Grille zirpt und addiert zu dieser Zahl 40, erhält man die aktuelle Lufttemperatur in Grad Fahrenheit.
Die Reihe an Wettertieren lässt sich beliebig fortführen: Murmeltiere, Rehe, Gänse, Bienen, Ameisen, Spinnen und Schnecken werden mit der Wettervorhersage in Verbindung gebracht. Oft fehlen jedoch langjährige Aufzeichnungen über das Tierverhalten bei Witterungswechsel. Deshalb können die Regeln seitens der Wissenschaft oft nicht beurteilt bzw. bestätigt werden. Allerdings: Tiere und Pflanzen sind Teil der Natur, sie sind fest eingebunden in ihre natürliche Umwelt. Sensibilität gegenüber Bedrohungen und rechtzeitige Reaktion kann über Leben und Tod entscheiden. So ist es nur logisch, wenn die Evolution im Laufe der Zeit den Lebewesen feine Wetterantennen zur Arterhaltung verpasst hat.
Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann
Deutscher Wetterdienst