Viele Hunde sind des Hasen Tod
Obwohl vor einigen Tagen schon der meteorologische Frühling begonnen hat, lohnt es sich trotzdem nochmal, einen winterlichen Parameter näher zu beleuchten. Bei der Analyse der aktuellen Schneehöhe zeigt sich die für die Jahreszeit zu erwartende Schneedeckenverteilung. In den höheren Lagen der Mittelgebirge liegt aktuell zwischen etwa 10 und rund 100 cm Schnee. Die Wasserkuppe in der Rhön bildet dabei mit 12 cm eher den unteren Bereich ab, der Fichtelberg im Erzgebirge hat dagegen mit 102 cm Schnee schon mehr zu bieten. Ausreißer sind der Brocken und der Feldberg im Schwarzwald, auf denen aktuell eine Schneehöhe von 155 bzw. 158 cm gemessen wird. Auch in den Tälern der Alpen gibt es noch durchaus akzeptable Wintersportbedingungen (beispielsweise Reit im Winkl 60 cm, Garmisch-Partenkirchen 23 cm, Flintsbach/Inn 22 cm, Oberstdorf 7 cm). Die dortigen höheren alpinen Lagen sind normalerweise im März sowieso schneesicher und laden zum Frühlingsskilauf ein.
Wenn man genau hinschaut, findet man aber auch im Tiefland noch ein paar Messstellen, die aktuell eine Schneehöhe von mehr als 1 cm melden. Erwähnenswert (Auswahl) sind die gemessenen 7 cm in Greifswald, an der Nachbarstation in Zemitz gibt es eine 5 cm mächtige Schneedecke. In Schleswig-Holstein meldet Satrup 11 cm, Lübeck-Blankensee 3 cm und Schönhagen 2 cm. Dies sind noch die Reste der Schneefälle von Ende Februar und Anfang März. In den übrigen Flachlandregionen sucht man eine Schneedecke dagegen meist vergeblich, selbst im Alpenvorland melden die meisten Messstellen maximal Schneeflecken.
Vor allem im Flachland, aber auch in den Mittelgebirgen und in den Alpentälern stehen der noch vorhandenen Schneedecke harte Zeiten bevor. Zum Ersten strömt in den nächsten Tagen deutlich wärmere Luft nach Mitteleuropa. Während heute im Südwesten bereits Höchstwerte zwischen 12 und 16 Grad erwartet werden, steigt die Temperatur am Sonntag fast bundesweit über die 15 Grad-Marke. Nur ganz im Norden wird es mit 9 bis 14 Grad etwas weniger mild. Zum Zweiten gereicht mittlerweile auch der Sonnenstand der Schneedecke zum Nachteil. Dieser erreicht aktuell immerhin ein Niveau, das etwa auch Anfang Oktober auftritt. Für die Bestrahlungsstärke einer Oberfläche gilt dabei eine einfache Regel: Je steiler der Einfallswinkel der Sonnenstrahlen, desto höher ist die Bestrahlungsstärke einer horizontalen Oberfläche (bekannt als "Cosinusgesetz").
Drittens bekommt die Schneedecke durch den Schmelzprozess nun häufig Löcher und die darunter liegende Oberfläche kommt zum Vorschein. Diese hat aber meist eine deutlich dunklere Färbung und kann sich daher stärker erwärmen als eine weiße Schneeoberfläche. Dieser Effekt kann mit der sogenannten "Albedo" quantifiziert werden, die als dimensionslose Zahl das Verhältnis von einfallender und reflektierter Strahlung beschreibt. Je höher der Wert, desto mehr Strahlung wird reflektiert, je kleiner die Albedo, desto mehr Energie kann absorbiert (das heißt von der Oberfläche aufgenommen) werden. Der Schmelzprozess beschleunigt sich daher im Allgemeinen, sobald die Schneedecke Lücken aufweist.
Viertens kommt regional auch noch der Regen dazu, der der Schneedecke weitere Wärme zuführt. Zudem muss zum Fünften für den Alpenrand auch der als "Schneefresser" bekannte Föhn erwähnt werden. Dieser treibt die Temperaturen am Alpenrand am Sonntag eventuell örtlich bis nahe 20 Grad. Die beständige warme und trockene Luftzirkulation des Föhns sorgt dafür, dass das Schmelzen besonders stark vonstattengehen kann.
Sie sehen also, das Zusammenspiel der Prozesse macht es der vorhandenen Schneedecke in den nächsten Tagen nicht leicht. Mit höchster Wahrscheinlichkeit bleiben nur noch in den höheren Mittelgebirgslagen sowie in den Alpen relevante Schneehöhen übrig. Um es sprichwörtlich zu sagen: "Viele Hunde sind des Hasen Tod". Dies schließt aber ein spätes Comeback des Winters natürlich nicht aus.
Mag.rer.nat. Florian Bilgeri
Deutscher Wetterdienst