Noreaster RILEY: Vom Schneebringer zum Frühlingsboten?
Hartnäckig halten sich Theorien und Gerüchte, das Wetter aus den USA würde ein bis zwei Wochen später bei uns ankommen. Demnach müsste man bald mit einem ausgewachsenen Sturm und allerlei extremen Begleiterscheinungen rechnen. Denn am vergangenen Wochenende suchte Sturmtief RILEY Teile der USA heim, sorgte neben zerstörerischen Winden für sintflutartige Regenfälle und mitunter heftigen Schneefall.
RILEY entwickelte sich Mitte der vergangenen Woche zunächst als kleines "Leetief" auf der windabgewandten Seite der Rocky Mountains und verlagerte sich in der Folge langsam ostwärts. Als RILEY am Wochenende schließlich vor der US-Ostküste "wasserte", intensivierte er sich binnen weniger Stunden extrem. In der Folge traten besonders in Teilen der Süd- und Atlantikstaaten sowie in den Regionen von den Großen Seen bis Neuengland neben heftigen Regen- und Schneefällen auch Sturm auf. Da die Luftmassen auf der Nordhalbkugel entgegen dem Uhrzeigersinn um Tiefdruckgebiete rotieren, kamen die stärksten Winde in den betroffenen Regionen nahe der US-Ostküste an der Westflanke von RILEY aus vornehmlich nordöstlicher Richtung. Aus diesem Umstand leitet sich auch der "Spitzname" dieser extremen Sturmtiefentwicklungen, die sich vor der US-Ostküste ereignen, ab. Insbesondere in den Medien, aber auch im umgangssprachlichen Meteorologen-Jargon wird RILEY als "Nor'easter" bezeichnet. "Nor'easter" ist eine Konzentration des Begriffs "Northeaster" und heißt auf Deutsch so viel wie "Nordöstlicher". Nor'easter entstehen als Reaktion auf ein sich verschärfenden Temperaturkontrast zwischen der von Kanada südwärts ausbrechenden arktischen Kaltluft und der Warmluft, die sich von den durch den Golfstrom erwärmten tropischen Atlantikgewässern nordwärts ausbreitet.
Genug Exkurs, zurück zur oben apostrophierten Theorie, das Wetter in den USA käme in einigen Tagen zu uns. Nun, wenn es beim Wetter immer so einfach wäre, gäbe es uns Meteorologen wahrscheinlich nicht. Fakt ist, die Wetterentwicklungen in den USA und in Europa passieren nicht unabhängig voneinander. Nicht umsonst sprechen wir Meteorologen häufig von der "Großwetterlage", weil das Wetter eben nicht vor Ort "aus dem nichts" entsteht, sondern als Resultat von komplexen Wechselwirkungen zwischen vielen Prozessen an verschiedenen Orten zu verschiedenen Zeiten. Fakt ist auch, dass synoptische Strukturen wie Tiefdruckgebiete durch die vorherrschende westliche Höhenströmung in der oberen Troposphäre vom nordamerikanischen Kontinent gerne mal Richtung Europa gesteuert werden. Das Problem dabei: Der Weg von Amerika und Europa ist verdammt weit, viel kann über den schier unendlichen Weiten des Nordatlantischen Ozeans passieren. Kontinentale Kaltluftmassen mischen sich mit warmer Meeresluft, Tiefdruckgebiete interagieren mit anderen, sterben, entstehen neu und so weiter und so fort. Fragen wie "schafft es das Tief überhaupt bis nach Europa?" oder "wohin zieht das Tief?" sind somit nicht trivial. Die Auswirkungen des US-Wetters auf das hiesige gibt es sicherlich, doch wie genau diese aussehen, kann nicht mit solch einfachen Theorien bestimmt werden. Hier springen unsere Computermodelle in die Bresche.
Laut der meisten Berechnungen soll (EX-)RILEY zunächst unter Abschwächung über den Nordatlantik langsam ostwärts ziehen und am Freitag in etwa das Seegebiet der Kanaren passieren, um sich am Wochenende dann vor den Toren Südwesteuropas nochmal zu intensivieren. Folglich würde sich über West- und Mitteleuropa eine südwestliche Strömung einstellen. Der sich dabei ereignende Vorstoß subtropischer Warmluft macht sich am Samstag, insbesondere aber am Sonntag zumindest durch milde bis sehr milde Temperaturen zwischen 13 und 18 Grad bemerkbar, auch wenn wohl kein "Hochglanzfrühlingswetter", sondern wolkenreiches und zu Niederschlägen neigendes Wetter zu erwarten ist. Obacht: Von der vorübergehenden deutlichen Milderung könnte der äußerste Norden ausgenommen sein.
Was dann mit EX-RILEY passiert und wie sich in der Folge das Wetter bei uns in Deutschland präsentiert, ist unklar. Bis dahin aber gilt: Aus dem Schneebringer RILEY für viele an der US-Küste wird für uns Mitteleuropäer eher ein Frühlingsbote!
Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst