Kohlekraftwerke kleine Wettermaschinen (Teil 1)
Der stetige Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre trägt bekanntlich zum globalen Klimawandel bei. Daran sind auch unsere deutschen Stein- und Braunkohlekraftwerke beteiligt. Beispielsweise stammen etwa 1/3 der gesamten CO2-Emissionen in Nordrhein-Westfalen von den drei größten Braunkohlekraftwerken Deutschlands (Niederaußem, Neurath und Weisweiler). Der Ausstoß dieses Klimagases ist für uns unsichtbar und hat auf unser aktuelles Wettergeschehen keinen Einfluss.
Bei der Stromerzeugung mit Kohlekraftwerken wird jedoch nicht nur CO2 erzeugt. Aus der Ferne fallen einem schon die großen Kühltürme auf. Aus diesen werden große Mengen an Wasserdampf an die Atmosphäre abgegeben. Im Gegensatz zum CO2 kann der Wasserdampf manchmal sogar das aktuelle Wettergeschehen beeinflussen. Der Atmosphäre wird nämlich nicht nur Wasserdampf, sondern auch die durch die Verbrennung von Kohle entstandene Wärme zugeführt. Da warme Luft eine geringere Dichte als die umgebende kühlere Luft besitzt, also für sich gesehen leichter ist, steigt die feuchte und warme Kraftwerksluft auf. Dabei wird sie abgekühlt und erreicht relativ schnell eine relative Luftfeuchtigkeit von etwa 100 %. Die Luft ist somit gesättigt und kann kein weiteres Wasser mehr aufnehmen. Beim weiteren Aufsteigen kondensiert das überschüssige Wasser zu winzigen Wassertröpfchen. Diesen Prozess kann man gut an den weißen Fahnen erkennen, die aus den Kühltürmen in die Höhe schießen. Im Prinzip handelt es sich um den gleichen Prozess, den man im Kleinen auch bei einem kochenden Wassertopf sehen kann. Ist auch die Umgebungsluft nahezu gesättigt, kann der Wasserdampf aus den Kühltürmen ausreichen, dass sich stromabwärts der Kraftwerke größere Quellwolken bilden können, während es in der Umgebung (nahezu) wolkenlos ist. Dies kann man insbesondere im Sommer bei windschwachen Hochdruckwetterlagen beobachten.
Auch im Winter können die Kraftwerke als kleine "Wettermaschinen" agieren. Ebenfalls bei ruhigen Hochdruckwetterlagen bilden sich in der unteren Atmosphäre häufig sogenannte Inversionen. Während normalerweise die Lufttemperatur mit der Höhe abnimmt, steigt die Temperatur innerhalb einer Inversionsschicht stark mit der Höhe an. Diese Atmosphärenschichtung bezeichnet man in der Meteorologie als sehr stabil, d.h. aufsteigende Luft kann diese Schicht nur sehr schwer durchdringen. Daher steigt die Luft zunächst nur bis in die Höhe der Inversionsschicht auf. Es bilden sich nachfolgend Wolken, die sich anschließend an der Unterkante der Inversion seitlich in der Fläche ausströmen; der im Winterhalbjahr berüchtigte zähe Hochnebel breitet sich aus. Nun kommen die Kraftwerke ins Spiel. Die oben beschriebene aufsteigende und energiereiche Luft kann es schaffen, diese Inversion zu durchstoßen. Die Aufnahme des Wettersatelliten SUOMI (linkes Bild) vom 2. Dezember letzten Jahres, 11:11 UTC (12:11 MEZ), zeigt dies eindrucksvoll. Zu sehen ist zunächst eine großflächige glatte Hochnebeldecke. Nur Teile der Eifel und des Sauerlands ragen aus dieser Wolkendecke heraus. Sieht man genauer hin, fallen einem die drei oben genannten Kraftwerke auf. Die feucht-warme und damit energiegeladene Luft aus den Kühltürmen schafft es die Inversion oberhalb der Wolkendecke zu durchdringen und strömt mit dem Wind Richtung Südwesten. Diese "Kraftwerkswolken" werfen sogar einen Schatten auf die Hochnebeldecke. Auch etwa 3 Stunden später, 14 UTC (15 MEZ), ist auf einem weiteren Satellitenbild (rechtes Bild, aufgenommen vom Wettersatelliten METEOSAT) zu erkennen, dass sich die Orte dieser Kraftwerkswolken nicht verändert haben, aber oberhalb der Hochnebeldecke der Wind von Nordost auf Nord gedreht hat.
Liegt die Lufttemperatur zudem unter dem Gefrierpunkt und weht kaum Wind, ist in seltenen Fällen sogar die Bildung von sogenanntem "Industrieschnee" möglich. Dabei handelt es sich um meist leichten Schneefall, der eng begrenzt um die Kraftwerkskühltürme fällt. Das in der aufsteigenden Luft enthaltene Wasser kondensiert und gefriert bei weiterem Abkühlen zu kleinen Eiskristallen, die anschließend zu Boden fallen.
Im morgigen Teil 2 zeigen wir, dass die Kraftwerkswettermaschinen bei klassischem Schauerwetter, wie es zum Beispiel in der letzten Woche der Fall war, noch spektakulärere Wetterphänomene erzeugen können.
Dipl.-Met. Dr. Markus Übel
Deutscher Wetterdienst