Eine fotogene arktische Kaltfront
Die USA wurden während der vergangenen Wochen wiederholt von mehreren arktischen Kaltfronten (siehe: DWD Lexikon) von Nord nach Süd überquert, die neben heftigen Schneefällen besonders dem Norden und Nordosten teils klirrende Kälte brachten. Eine dieser Kaltfronten war weniger wegen ihrer Intensität von Interesse, sondern fiel besonders über dem Mittleren Westen durch ihre optische Erscheinung auf. Diese Kaltfront trat durch eine Tiefdruckentwicklung entlang der kanadisch-US-amerikanischen Grenze am 10. Januar ihre Reise nach Süden an und erreichte in weniger als 24 Stunden den Mittleren Westen der USA. Dabei verlor sie allerdings deutlich an Kraft. In der Folge richtet sich unser Fokus auf den Bundesstaat Oklahoma, da dort die Kaltfrontpassage von unzähligen Wetterbeobachtern teils mit beeindruckendem Bildmaterial festgehalten wurde.
Als Beispiel der Frontpassage soll die Temperaturentwicklung von Oklahoma City näher betrachtet werden. In Abbildung a) ist die vertikale Temperaturverteilung am 11. Januar um 12:47 UTC (5:47 Uhr Lokalzeit) und in b) um 17:04 UTC (10:04 Uhr Lokalzeit) abgebildet. Auf der y-Achse (vertikal) ist die Höhe über Grund in Kilometern und auf der x-Achse (horizontal) die Temperatur in Grad Celsius aufgetragen, wobei die Linien mit derselben Temperatur (in der Meteorologie als Isotherme bezeichnet) farblich hervorgehoben von der x-Achse nach rechts oben zeigen. Die rote Linie stellt die gemessene Temperatur in der Vertikalen dar, die durch einen aufsteigenden Wetterballon ermittelt wurde. Die Sternchen geben von unten nach oben einzelne Temperaturwerte in rund 400 m, 1000 m, 1500 m und 2000 m über Grund an. Die Kaltfront passierte Oklahoma City zwischen 12:47 UTC und 17:04 UTC.
Was lässt sich anhand dieser Temperaturprofile erkennen? Die Temperatur änderte sich bodennah während der Kaltfrontpassage kaum und ging von -1.5 Grad auf -3.5 Grad zurück. Auch in 1500 m über Grund gibt es nur eine unwesentliche Temperaturänderung. Bei beiden Messungen wurde in diesem Höhenbereich eine Temperatur von ca. 0 Grad ermittelt. Ganz anders sieht es allerdings in 1000 m über Grund aus. Hier entfaltete die Kaltfront noch ihre volle Kraft und ließ die Temperatur von +4.5 Grad um knapp 15 Kelvin auf -10 Grad abstürzen. Es handelte sich also nicht mehr um eine hochreichende, sondern nur noch um eine flache Kaltfront, die oberhalb von 1500 m und bodennah die Temperatur kaum veränderte.
Die herannahende Kaltfront wurde bildlich festgehalten (siehe c und d). Die roten Pfeile zeigen die warme und aufsteigende, die blauen Pfeile die kalte und herabstürzende Luftmasse. In beiden Aufnahmen bewegt sich die Kaltfront auf den Beobachter zu. Bereits visuell ist die seichte Ausprägung der Kaltfront auszumachen, denn oberhalb der Wolkenwalze erstrahlt der Winterhimmel in dunklem Blau. Normalerweise ist eine Kaltfrontpassage von kräftigen Schauern oder gar Gewittern begleitet, die sich von weitem durch den Aufzug hoher Wolken (Cirren) bemerkbar machen. Diese fehlen hier vollständig. Auch anhand dieser Standbilder kann man sich lebhaft vorstellen, wie die kalte Luftmasse regelrecht über die Landschaft "walzt" und die vor und über der Front liegende warme und stabil geschichtete Luft beständig anhebt. "Stabil geschichtet" bedeutet vereinfacht gesagt, dass die Luft ohne den Hebungsimpuls der Kaltfront nie von alleine aufgestiegen wäre. Ihr widerwilliges Aufsteigen äußerte sich in einer sehr glatten Oberseite der Wolkenwalze. Das glatte Aussehen lag einerseits daran, dass die warme Luft entsprechend der geringen Mächtigkeit des Kaltluftkörpers auch nur wenige Hundert Meter angehoben wurde (von alleine also nicht mehr weiter aufstieg). Andererseits unterband die weiterhin über der Wolkenwalze liegende wärmere Luftmasse ein weiteres Aufsteigen der gehobenen Luft (siehe Temperaturprofil in b)). So ist visuell wunderbar der Kaltluftkörper der Kaltfront erkennbar, der in Form dieser Wolkenwalze über die Landschaft zog.
So bedrohlich diese Front auch aussah, sie war mit keinen signifikanten Wettererscheinungen verbunden. Der Wind frischte stark böig auf, drehte auf nördliche Richtung und die Temperatur ging bodennah um einige Grad zurück. Aus dichter Bewölkung fiel etwas Sprühregen oder Regen, der rasch in Schnee überging. Abgesehen von den unspektakulären Begleiterscheinungen zirkulierten in den öffentlichen Medien unzählige beeindruckende Bilder dieser Kaltfrontpassage, die vielen Menschen alleine der Optik wegen sicherlich noch längere Zeit in Erinnerung bleiben wird. Und wer weiß, vielleicht ergibt sich in dieser Wintersaison noch die eine oder andere Möglichkeit ein ähnliches Ereignis zu erleben, denn die Wettermodelle deuten weitere Kaltfronten an, die über die USA weit nach Süden vorstoßen sollen.
Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst