In weiten Bereichen Deutschlands wird heute eine markante Sturmlage erwartet, wobei der Schwerpunkt im Norden und Osten zu finden ist. Im Oberharz und auch auf den Gipfeln der östlichen Mittelgebirge drohen gar Orkanböen und auch im Tiefland Nordostdeutschlands sind einzelne orkanartige Böen besonders am Südrand des Tiefkerns und beim Durchgang der zugehörigen Kaltfront nicht auszuschließen.

Die Vorhersagemodelle erfassten die Entwicklung von XAVIER im Verlauf der letzten beiden Tage sehr gut, wobei sich allerdings kleinere Unsicherheiten mit Blick auf die genaue Zugbahn ergaben. Das europäische Modell vom EZMW (Europäisches Zentrum für mittelfristige Wettervorhersagen) erwartete eine eher östlichere Zugbahn, wobei das Zentrum von XAVIER über das südliche Vorpommern nach Polen ziehen sollte. Andere Vorhersagemodelle deuteten eine etwas südlichere oder westlichere Zugbahn an (z.B. das deutsche hochaufgelöste Modell COSMO-DE mit einer Zugbahn über Nordbrandenburg). Diese Unterschiede erscheinen auf den ersten Blick nicht groß, doch muss berücksichtigt werden, dass sich am Südrand von XAVIER ein sehr kompaktes Sturmfeld ausbildet, sodass solche Verschiebungen z.B. für das südliche Vorpommern entweder mäßigen Wind oder Sturmböen bedeuten würden. Alle Vorhersagemodelle zeigten allerdings die Entwicklung eines kräftigen Sturmtiefs, das im Tagesverlauf heute über Nordostdeutschland nach Polen ziehen soll. Aufgrund dieser Erwartungen wurde daher gestern Mittag vom Deutschen Wetterdienst (DWD) eine grobe (sprich: großflächige) Vorabinformation vor "Unwetter vor Orkanböen" herausgegeben, die alle Modellunsicherheiten der möglichen Zugbahnen von XAVIER umfasst. Bevor wir aber näher auf die neusten Vorhersagen von XAVIER eingehen, soll noch der Begriff "Vorabinformation" erklärt werden.

Zunächst sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Vorabinformation KEINE amtliche Unwetterwarnung darstellt. Vorabinformationen und (Unwetter-)Warnungen sind GETRENNT voneinander zu betrachten. Warnungen werden nach bestimmten Kriterien eingeteilt (siehe http://bit.ly/2y0Nybv).

Die Vorabinformation wird rund sechs bis 48 Stunden vor einem zu erwarteten Ereignis von den Meteorologen des DWD ausgegeben. Der Gültigkeitszeitraum dieser Information umfasst den Zeitraum des zu erwartenden Unwetterereignisses wie zum Beispiel vor schweren Gewittern, starkem Tauwetter, starkem Schneefall und/oder Verwehungen, ergiebigem Dauerregen, heftigem Starkregen, Glatteis, orkanartigen Böen oder Orkan. Für XAVIER wurde die Vorabinformation am gestrigen Mittwoch zur Mittagszeit ausgegeben mit einer Gültigkeit am Donnerstag (heute) zwischen 10 und 18 Uhr im Norden und 14 bis 22 Uhr im Osten. Während des jeweiligen Zeitraums ist also in diesen Bereichen das Potential für Unwetter (hier: orkanartige Böen) erhöht. Wird eine Vorabinformation ausgegeben, so wird diese nach einer bestimmten Zeit (z.B. 12 Stunden) konkretisiert und an neue Erkenntnisse angepasst. Zudem muss diese entweder im Falle des nicht Auftretens aufgehoben oder im Falle des Eintretens durch eine offizielle Unwetterwarnung ersetzt werden. Letzteres wurde am gestrigen Abend (Mittwochabend) umgesetzt und große Bereiche der Vorabinformation wurden in eine Unwetterwarnung vor orkanartigen Böen umgewandelt. Die nördlichen Bereiche der Vorabinformation von Schleswig-Holstein bis in die Uckermark laufen hingegen auch weiterhin, da hier erst die endgültige Zugbahn entscheidet, wo genau der Nordrand des Sturmfeldes verlaufen soll .

Die frühzeitige Ausgabe dieser Information ist vor allem für Behörden von Interesse, die rechtzeitig Vorsorgemaßnahmen treffen müssen. Vorabinformationen können übrigens auch bei solchen Lagen ausgegeben werden, bei denen sich das vorhergesagte Ereignis bezüglich der Warnschwellen des DWD voraussichtlich im Grenzbereich zwischen einer markanten und einer Unwetterlage befindet.

Doch wie ist nun der letzte Stand bezüglich XAVIER? Das Sturmtief überquerte die Nacht über die Nordsee und erreicht nun am Vormittag Norddeutschland. Dabei entwickelt sich im Verlauf des Tages besonders direkt westlich und südlich von XAVIERs Zentrum das stärkste Sturmfeld. Dieses sollte zur Mittagszeit den Nordwesten (Niedersachsen, Schleswig-Holstein) erreichen, am Nachmittag dann Sachsen-Anhalt und weite Bereiche Mecklenburg-Vorpommerns überqueren und im Verlauf des späten Nachmittag und Abend auch Brandenburg, Berlin, Thüringen und Sachsen erfassen. In diesen Bereichen wird für jeweils einige Stunden mit schweren Sturmböen bis 100 km/h (Bft 10), teils orkanartigen Böen bis 115 km/h (Bft 11), örtlich auch mit Orkanböen (Bft 12) aus West bis Nordwest gerechnet. Auf exponierten Bergen weht der Wind in Böen in voller Orkanstärke. Im Westen und über der Mitte Deutschlands liegt der Hauptfokus auf der Kaltfront, die zum Mittag den Westen und zum Nachmittag und Abend zunehmend die Mitte Deutschlands erreicht. Dabei muss bei Durchzug der Front in Verbindung mit kräftigen Schauern oder einzelnen Gewittern durch das Herabmischen des starken Höhenwindes (vertikaler Impulstransport) bis in tiefe Lagen mit Böen von 80 bis 95 km/h (Bft 9 bis 10) gerechnet werden. Auch dabei sind einzelne orkanartige Böen Bft 11 nicht ausgeschlossen. Rückseitig des Sturmtiefs flaut der Wind zum Abend von Westen her rasch ab, sodass für viele Bereiche Deutschlands XAVIER bereits wieder Geschichte ist. In der Oberlausitz treten jedoch noch bis in die erste Nachthälfte, im Küstenumfeld und im Bergland die gesamte Nacht über Sturmböen aus West bis Nordwest auf.

Dipl.-Met. Helge Tuschy

Deutscher Wetterdienst

Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 05.10.2017

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