In den vergangenen Jahren war immer wieder zu beobachten, wie sich Tropenstürme sehr früh entwickelten und teils deutlich abseits der offiziellen Hurrikansaison für mehr oder weniger große Schlagzeilen sorgten. Die Saison beginnt offiziell am 1. Juni und endet am 30. November eines jeden Jahres.
2015 entwickelte sich zwischen dem 8. und 11. Mai der Tropensturm ANA aus einem außertropischen Tiefdruckgebiet direkt vor der Südostküste der USA. Damit nicht genug, denn ANA zog in der Folge nach Norden und somit direkt in die Küstenregionen der östlichen USA. Dabei verstärkte sich der Sturm und erreichte Windgeschwindigkeiten von knapp 100 km/h bei einem Kerndruck von etwas unter 1000 hPa. Kurz vor dem Landgang schwächte sich der Sturm wieder ab, brachte sich aber dennoch in die meteorologischen Geschichtsbücher ein. So früh traf bisher kein tropischer Sturm die Küstenbereiche der USA mit kräftigem Wind und Regen.
Des Weiteren ist das vergangene Jahr 2016 zu nennen. Die Eröffnung dieser Hurrikansaison hätte auch als schlechtes Omen für den weiteren Verlauf gesehen werden können, denn sie entwickelte sich zu einer überdurchschnittlich aktiven (der ersten seit 2012) und zur tödlichsten seit 2008 für den Nordatlantik. Hurrikan ALEX tobte vom 12. bis 15. Januar mit Windgeschwindigkeiten von zirka 140 km/h über dem offenen Meer, rund 5 Monate vor dem offiziellen Beginn der Hurrikansaison. Seit ALICE im Jahr 1955 gab es keinen Januarhurrikan mehr. Auf seinem weiteren Weg Richtung Osten erreichte ALEX unter Abschwächung die Azoren und brachte auch diesen Inseln viel Wind und Regen.
In diesem Jahr (2017) ließ sich die Atmosphäre über dem Nordatlantik etwas mehr Zeit und wartete bis Mitte April. Doch auch dieser Zeitpunkt einer Tropensturmentwicklung kann als sehr früh angesehen werden. Bevor noch näher auf ARLENE eingegangen wird, sei jedoch gesagt, dass der Hauptgrund der Erkennung verfrühter Tropensturmentwicklungen der letzten Jahre vor allem auf verbesserte Satellitendaten zurückzuführen ist. Mit Hilfe dieser Daten können die Meteorologen des Nationalen Hurrikanzentrums in Miami, Florida (USA) je nach Region alle 15 bis 60 min - mit der neuen Satellitengeneration in den kommenden Jahren gar alle 5 Minuten - die Wetterentwicklung über den Ozeanen überwachen. So werden heute auch Entwicklungen erkannt, die abseits aller Bojen oder Messstationen stattfinden und dennoch für den Flugverkehr (Turbulenzen) und die Schifffahrt (Wellengang, Orkanböen, Sichteinschränkung) von großer Bedeutung sind. Sicherlich gab es auch vor dem Zeitalter der hochaufgelösten Satellitenbilder immer wieder solch verfrühte Entwicklungen, die zu dieser Zeit jedoch unerkannt blieben.
Wie bereits erwähnt, entwickelte sich auch in diesem Jahr ein Tropensturm außerhalb der Saison und erhielt den Namen ARLENE. Die Namensliste für Hurrikans in 2017 steht übrigens schon lange fest. Der Sturm war zwischen dem 19. und 21. April weit westlich der Azoren aktiv und ist als sogenannter ?Fischsturm? in die meteorologischen Archive eingegangen. Das bedeutet, dass er zu keiner Zeit seines Auftretens Festlandsküsten oder Inseln bedrohte. Im beigefügten Satellitenbild ist anhand der Wolkenformation ein sehr großräumiger außertropischer Tiefdruckkomplex zu erkennen, der sich Mitte April vor der Ostküste der USA bildete und während der folgenden Tage langsam nach Südosten in subtropische Gefilde driftete. Später zog er dann nach Norden in die gemäßigten Breiten weiter. Gleich mehrere kleinere Tiefdruckgebiete sind innerhalb dieses großräumigen Wirbels zu erkennen.
Aber wie konnte sich bei einer Wassertemperatur von nur 20 Grad, die eigentlich zu niedrig für die Entwicklung von Tropenstürmen ist, dennoch solch ein kräftiges Tief bilden? Einer der erwähnten kleinen Tiefdruckwirbel lag besonders günstig und profitierte vom Einbeziehen subtropischer Luftmassen, die innerhalb des großen Wirbels unentwegt gegen den Uhrzeigersinn zirkulierten. Der kleinere Wirbel zog nordwärts und die Temperatur der Luftmasse in der oberen Troposphäre nahm stetig ab. So verstärkte sich der vertikale Temperaturunterschied zur energiereichen subtropischen und somit feucht-warmen Luftmasse über der Ozeanoberfläche. Um das Tiefzentrum herum konnten sich nun kräftige Gewitter entwickeln, die als erstes Indiz für eine Tropensturmentwicklung gelten und bei weiterer Intensivierung war ARLENE am Abend des 20. April 2017 geboren. ARLENE verstärkte sich aber nur kurzzeitig zu einem kleinräumigen und kräftigen tropischen Sturm, bevor sie sich in der Folge rasch abschwächte und in den Nachtstunden zum 22. April wieder auflöste. Dabei entwickelte ARLENE immerhin Windgeschwindigkeiten mit voller Sturmstärke (Bft 8 bis 9).
Allein dank der Satelliten ist es möglich solch kleinräumige und sehr kurzlebigen Zyklonenentwicklungen zu entdecken und entsprechende Warnungen zum Beispiel für die Schifffahrt frühzeitig herauszugeben.
Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 26.04.2017
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