Man konnte es erahnen, wenn man gestern zwischen dem Niederrheinischen Tiefland und dem Harz früh aus dem Bett stieg - es lagen Gewitter in der Luft. Die Luftmasse war bereits sehr feucht, was sich in Form zahlreicher, teils sehr dichter Nebelfelder bemerkbar machte, die die Sichtweiten bis weit in den Vormittag hinein gebietsweise auf unter 150 m drückten. Teils herbstlich anmutende Sonnenaufgänge im wabernden Nebelmeer waren die Folge. Zu dieser Jahreszeit bedeutet jedoch eine sehr feuchte und warme Luftmasse, dass es mit fortschreitender tageszeitlicher Erwärmung darin zu brodeln beginnt. Die dabei aufsteigende Luft kühlt ab, bildet zunächst die allseits bekannten Haufen-/ oder Blumenkohlwolken (lat. cumulus), die dann aber immer weiter anwachsen, bis sie an der Oberkante vereisen und den typischen "Amboss" aufweisen. Sie ziehen dann meist mit Blitz und Donner über die Lande und verteilen ihre Regenlast in der betroffenen Region meist sehr ungleichmäßig. Schon früh wurden daher am gestrigen Sonntag erneut Vorabinformationen über das sehr wahrscheinliche Auftreten von heftigen Gewittern herausgegeben, die weite Bereiche vom Ruhrgebiet bis zur Pfalz und ganz Süddeutschland umfassten.
Doch sorgten nicht nur die Einstrahlung der Sonne und die damit einhergehende Erwärmung für die Entwicklung der teils schweren Gewitter, sondern es bildeten sich, wie auch schon während der Vortage, zahlreiche bodennahe Windkonvergenzen, die ebenfalls zur Gewitterauslösung beitrugen. Die Beschreibung von Konvergenzen kann im Thema des Tages vom 05.06.16 auf der Homepage des DWD nachgelesen werden.
Doch etwas unterschied die Sonntagsgewitter dann doch von denen der vergangenen Tage: Sie hatten deutlich mehr Energie zur Verfügung. Das bedeutet vereinfacht gesagt, dass die aufsteigende Luft besonders schnell aufsteigen und kondensieren bzw. Regen und Eis produzieren konnte. Die Folge der besonders mächtigen Gewitterwolken und ihren starken Auf- und Abwinden war vielerorts wolkenbruchartiger Starkregen oder Hagel. Wenn nun zahlreiche, nah beieinanderstehende Gewitterzellen viel Regen produzieren, dann können die Gewitter auch allmählich zusammenwachsen und eine oder mehrere Gewitterlinien bilden. So zogen am Sonntagnachmittag gleich mehrere dieser Linien z.B. von Nordhessen in Richtung Westerwald oder von Thüringen und Nordbayern nach Südhessen.
Eine dieser Gewitterlinien überrollte auch den Standort des Berichterstatters und auf dem beigefügten Foto kann man anhand der Wolkenformationen die für solche Gewitterlinien typischen Strömungen in der unteren Troposphärenschicht erkennen. In 1a) wird warme und feuchte Luft emporgerissen, was die dunkle und eher glatte Wolkenstruktur ganz rechts erklärt. Rückseitig fällt dann die vom Regen abgekühlte Luft nach unten und sorgt für ein sehr wirres/verwirbeltes Wolkenbild. In 1b) wurde in diesen Bereich noch näher hereingezoomt. Steht man unter diesen Wolken, dann droht in Kürze Ungemach in Form heftigen Regens oder gar Hagels. Im Gegensatz zu den vorherigen Tagen sind solche Gewitterlinien auch mit stärkeren Windböen, teils stürmischen Böen verbunden und sie bringen meist auch keine so extremen Regensummen, da sie, angetrieben durch die herabfallende kalte Luft, zügig über die Lande ziehen. Dennoch reichte es am Sonntag erneut eng begrenzt für unwetterartige Regenmengen, wie z.B. in Bundenthal (Rheinland-Pfalz) oder Heinrichtsthal (Bayern) mit jeweils 33 l/qm in einer Stunde.
Darüber hinaus gab es auch zahlreiche Blitzentladungen, was im rechten Bildbereich anhand mehrerer Fotos zu erkennen ist. Solch kräftige Blitzentladungen waren während der letzten Tage für zahlreiche Unfälle verantwortlich, da die Gefahr eines Blitzschlages allgemein unterschätzt wird. Ein sogenannter "Blitz aus dem Blauen" ist eine Entladung, die aus der Wolke durch die Luft weit entfernt vom eigentlichen Gewitter vollkommen überraschend, sprichwörtlich wie aus dem heiteren Himmel, in Gegenstände am Boden einschlagen kann. Das kann nachweislich bis zu 40 km abseits eines Gewitters der Fall sein. Von daher ist es sehr wichtig, dass man frühzeitig bei einem nahenden Gewitter Schutz sucht! Die Entstehung von Blitzen wurde am 31.05. in einem Thema des Tages beschrieben und kann im Archiv nachgelesen werden.
Zuletzt sei noch erwähnt, dass besonders über Schleswig-Holstein im Zuge einer markanten Windkonvergenz mehrere Tornados entstanden, die teilweise gleichzeitig auftraten und von zahlreichen Augenzeugen gefilmt wurden, Gott sei Dank aber eher unbewohntes Gebiet trafen. Die Entstehung dieser Tornados würde den Rahmen des heutigen Thema des Tages sprengen, doch sei erwähnt, dass diese Art von Tornados immer wieder mal im Bereich von Konvergenzen vorkommen kann, wenn die Luft feucht ist und sehr rasch zum Aufsteigen gezwungen wird. Auch in anderen Bereichen Deutschlands gab es die ein oder andere Tornadosichtung. Meist weisen diese aber nur eine kurze Lebensdauer auf.
Von all dem bekamen die Menschen im Nordwesten und äußersten Nordosten Deutschlands nichts mit, da dort bei viel Sonnenschein und Höchstwerten von bis zu 30 °C (z.B. Berlin-Kaniswall mit 30.0 °C) der Sommer in vollen Zügen genossen werden konnte - etwas, was uns allen endlich mal zu wünsche wäre. Verdient hätten wir das!
Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 06.06.2016
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