Was ist eine Fallböe?

Die vergangenen Tage brachten in Deutschland zum Teil schwere Gewitter. Während am Montag der Osten betroffen war, lag der Gewitterschwerpunkt am Sonntag in der Westhälfte. Besonders betroffen war eine Region von Ostwestfalen bis Hamburg. Die schwersten Schäden traten dabei in Meißen bei Minden in Nordrhein-Westfalen auf. Betrachtet man die immensen Schäden, so denkt man schnell an einen Tornado, was auch so zunächst von den meisten Medien verbreitet wurde. Doch ein weiteres Phänomen, das in Zusammenhang mit schweren Gewittern steht und häufiger vorkommt als Tornados, scheint in diesem Fall wahrscheinlicher. Die Rede ist von sogenannten Fallböen (engl. Downburst).

Obwohl Fallböen ebenso starke Schäden verursachen können wie Tornados, sind sie dennoch vielen Leuten unbekannt. Fallböen sind wie auch Tornados meist mit schweren Gewittern verbunden, wobei auch bei den Fallböen die stärksten Ereignisse häufig im Zusammenhang mit rotierenden Gewitterzellen, den sogenannten "Superzellen", auftreten. Dennoch unterscheiden sich Fallböen physikalisch wesentlich von Tornados. Tornados sind stark rotierende Luftwirbel mit vertikaler Drehachse, die aus einer Schauer- oder Gewitterwolke entwickeln und verbindung mit dem Boden aufnehmen. Oft sieht man dabei ausgehend von der Gewitterwolke einen bis zum Boden reichenden auskondensierten rotierenden Trichter oder Wolkenschlauch. Downbursts oder Fallböen hingegen entstehen, wenn kalte Luft in einem Gewitter nach unten fällt, auf den Boden trifft und sich dort in linearer Richtung ausbreitet. Dabei können Windgeschwindigkeiten von mehr als 200 km/h erreicht werden. Doch wie genau kommt es zu dieser fallenden kalten Luft? Innerhalb starker Gewitter bilden sich in den höheren Wolkenschichten oft größere Hagelkörner. Haben diese eine gewisse Größe erreicht, kann sie der Aufwind in der Gewitterwolke nicht mehr in der Wolke halten und sie beginnen herab zu fallen. Beim Fallen gelangen die Hagelkörner in tiefere und wärmere Luft. Sie beginnen zu schmelzen, sobald die Lufttemperatur über den Gefrierpunkt steigt. Zum Teil entstehen dabei Regentropfen. Fallen diese in trocknere Schichten, setzt schnell Verdunstung ein. Dies geht umso schneller, je trockener die Luft ist. Sowohl beim Schmelzen des Hagels, als auch bei der Verdunstung der Regentropfen wird der Luft Energie in Form von Wärme entzogen, wodurch sie sich abkühlt. Da nun die kalte Luft schwerer ist, als die umgebende Warmluft, wird sie nach unten beschleunigt und trifft dann irgendwann auf den Boden. Von weitem sieht es oft so aus, als ob ein "Sack" aus dem Gewitter heraus fällt. Trifft die Luft auf den Boden auf, so breitet sie sich dort horizontal aus. In diesem Downburst hat man häufig die stärksten Niederschläge sowie auch Hagel. In unmittelbarer Nähe sieht ein Downburst wie eine "weiße Wand" aus, die sich rasend schnell bewegt. Das Schadenspotenzial von Downbursts ist häufig sogar größer als das von Tornados, da meist eine größere Fläche betroffen ist und nicht eine schmale Schneise der Verwüstung, wie sie meist einen Tornado hinterlässt.

Im Fall von Meißen bei Minden handelte es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht um einen Tornado, sondern um so eine Fallböe. Dies ergab eine Untersuchung der Schadensspur. Anhand der Schäden konnte die Windgeschwindigkeit auf etwa 150 - 180 km/h geschätzt werden.

Solche Sturmschäden, wie auch Tornados und andere Unwetterbegleiterscheinungen, wie großer Hagel, Blitzschäden, Schneestürme und auch Lawinen usw. werden nach ihrer Untersuchung in einer europäischen Unwetterdatenbank, der European Severe Weather Database (ESWD (www.eswd.eu)), erfasst und der Öffentlichkeit, sowie der Forschung zur Verfügung gestellt.

Dipl.-Met. Christian Herold

Deutscher Wetterdienst

Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 25.05.2016

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