Beim Blick aus dem Fenster wird der ein oder andere unter Ihnen heute Morgen eine weiße Überraschung erlebt haben. Zumindest wenn Sie in höheren Lagen der Mittelgebirge wohnen und - ausnahmsweise - nicht die Berichte des Wetterdienstes verfolgt haben. In der rückseitig der Kaltfront von Sturmtief SUSANNA eingeflossenen kühlen Meeresluft polaren Ursprungs sank die Schneefallgrenze im Verlauf der vergangenen Nacht nämlich erwartungsgemäß sukzessiv von anfangs 1000 m auf 600 bis 300 m ab. Ist noch mehr Schnee zu erwarten oder war es das schon wieder mit dem Winter?
Ohne jetzt schon die Luft vollends herausnehmen zu wollen, aber der Hochwinter, die sog. Kernphase des Winters von Anfang Januar bis Mitte Februar, liegt bereits in den letzten Zügen! Damit werden längere winterliche Phasen mit Schnee bis ins Tiefland alleine schon aufgrund der voranschreitenden Jahreszeit statistisch gesehen immer unwahrscheinlicher. Dass der dem Hochwinter folgende Spätwinter aber durchaus auch für Kälte und viel Schnee gut sein kann, zeigte zuletzt das Jahr 2013. Sowohl der Februar als auch der März fielen in Bezug auf das vieljährige Klimamittel zu kalt und gerade der März auch schneereich aus. Vor allem in den östlichen Bundesländern akkumulierte sich der Neuschnee zu einer vielfach 10 bis 20 cm mächtigen Schneedecke. Von der Insel Rügen wurde sogar eine Schneehöhe von über 40 cm gemeldet - und das in der letzten (!) Märzdekade. Zugegeben, das war schon ein Extremereignis, an dem man den "Märzwinter" nicht messen sollte.
So viel zu den statistischen und klimatologischen Rahmenbedingungen. Die derzeitige Wetterlage lässt auf den ersten Blick nicht allzu viel Hoffnung auf ein Wintercomeback bis in tiefere Lagen aufkommen. Denn im Wesentlichen haben wir es mit einer westlichen Höhenströmung zu tun, die Tiefdrucksysteme von Nordamerika her kommend über den Nordatlantik Richtung Europa steuert (siehe Grafik mit der Berechnung des ICON-Wettermodells: http://bit.ly/1mrRIzZ). Zwar gelangte Deutschland mit Kaltfrontdurchgang am gestrigen Dienstag auf die kalte Seite der Polarfront (Übergangsbereich von subtropischer Warmluft und polarer Kaltluft), die aus westlichen Richtungen eingeflossene Polarluft legte aber einen langen Weg aus den (nordamerikanischen) Polarregionen über den Nordatlantik bis nach Deutschland zurück. Dabei wurde sie durch das Meerwasser stetig erwärmt, gehört dementsprechend also zu den maritimen und damit wärmeren Vertretern ihrer Art. Die zeitweise auftretenden, meist schauerartigen Niederschläge fallen nur in höheren Lagen durchweg als Schnee - "Berglandwinter" oder "Winter light" könnte man also sagen. Die Voraussetzungen ändern sich auch bis zum kommenden Wochenende nicht grundlegend.
Die Wetterentwicklung nach dem Wochenende ist dagegen noch unklar, die Berechnungen der Wettermodelle noch mit Unsicherheiten behaftet. Ziemlich wahrscheinlich ist allerdings eine Umstellung der Wetterlage dahingehend, dass die Höhenströmung mehr und mehr ins Schlingern kommt, wobei sich über Europa ein mit reichlich Kaltluft angefüllter Höhentrog (Tiefdruckgebilde in 500 hPa, entsprechend etwa 5000 m) von Norden her weit nach Süden bis nach Nordafrika ausweitet (siehe Grafik mit der Berechnung des ICON-Wettermodells: http://bit.ly/1mrRIzZ). Die darüber hinaus aber unklare Position dieses Höhentroges entscheidet maßgeblich über die Verhältnisse am Erdboden. Gelangt Deutschland beispielsweise direkt unter den Trog, könnte sich eine nördliche Strömung einstellen, mit der Polarluft auf direktem Wege herangeführt werden würde. Diese wäre auf jeden Fall kälter als die derzeitige. Ob sich diese Variante eines sich dann nochmal einstellenden "Flachlandwinters" tatsächlich durchsetzt, bleibt aber noch fraglich.
Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst