Die vergangenen Tage waren in großen Teilen des Landes hochwinterlich, mit eisigen Nächten teils deutlich im zweistelligen Negativbereich. Auch in der vergangenen Nacht gab es in den klaren Gebieten erneut strengen Frost. Die Hitliste wird angeführt von Dippoldiswalde in Sachsen mit -17,3 Grad. Auf den weiteren Plätzen folgen Hermaringen-Allewind (Baden-Württemberg) mit -16,4 Grad und Deutschneudorf-Brüderwiese (Sachsen) mit -14,9 Grad.
Allerdings bringt die aktuelle Witterung wenig Spannungspotential. Das soll sich in der Nacht auf Samstag nun ändern, wenn ein Niederschlagsband über Deutschland zieht. Es deutet sich eine markante Glättelage mit Unwetterpotential an. Aber was entscheidet eigentlich darüber, ob Niederschlag als stinknormaler Regen, Schnee oder gefrierender Regen den Boden erreicht?
Um darauf eine Antwort geben zu können, muss man den Lebensweg eines Niederschlagsteilchens verfolgen. Dafür setzt man sich virtuell auf ein solches Teilchen und bewegt sich gedacht von oben nach unten durch die Atmosphäre hindurch.
Die Reise startet dort wo eine ausreichend hohe Luftfeuchtigkeit herrscht, sodass der Wasserdampf kondensieren kann. Wenn die Temperatur in diesem Bereich unter -10 Grad liegt, ist es relativ sicher, dass der Wasserdampf auf sogenannten Kondensationskeimen festfriert und sich damit Eiskristalle bilden. Ist es etwas wärmer, besteht die Möglichkeit, dass sich unterkühlte Wassertropfen halten.
Sind die Niederschlagsteilchen ausreichend groß und damit auch schwer genug, beginnen sie nach unten zu fallen. Angenommen es handelt sich um Eis bzw. Schnee, dann ist nun die Frage, wie verändert sich die Temperatur im Laufe der Reise in Richtung Boden. Bleibt es über den ganzen Weg hinweg frostig und "vertrocknet" das Teilchen nicht, so kann man am Boden ganz sicher mit Schnee rechnen. Steigt die Temperatur allerdings in den positiven Bereich, beginnt der Schnee zu schmelzen. Wenn die warme Schicht ausreichend groß ist, muss mit einem kompletten Abschmelzen und Regen am Boden gerechnet werden. Ein typischer Fall: Schnee im Bergland, Regen im Tiefland.
So richtig kritisch und gefährlich wird es allerdings, wenn es in den unteren Schichten eine Temperaturumkehr gibt (Inversion) - es dort also frostig ist. Es kann einerseits sein, dass Straßen und Wege nach einer vorangegangenen Dauerfrostperiode gefroren sind. Es ist aber auch möglich, dass die gesamte bodennahe Luftschicht noch frostig ist.
Wenn die Frostschicht dick genug ist, kann der geschmolzene Schnee wieder zu Eiskörnern gefrieren. Die Folge ist Eisregen. Ist dies nicht der Fall, dann erreicht der Niederschlag in Form von unterkühltem Wassertröpfchen den Erdboden, die entsprechend sofort an selbigem festfrieren. Dieser sogenannte Glatteisregen (oft in den Medien auch als "Blitzeis" bezeichnet) bringt die gefährlichste aller Glättesituationen, weil sich innerhalb von Minuten eine Eisschicht ausbilden kann.
Genau diese Situation steht insbesondere der Westhälfte in der Nacht auf Samstag ins Haus. Ein Niederschlagsgebiet überquert Deutschland von West nach Ost, wobei die Temperatur in mittleren Schichten auf positive Werte steigt, während weiter unten aufgrund der Vorgeschichte der Frost noch in den Böden steckt. Entsprechend ist eine Glatteislage mit erhöhtem Unwetterpotential zu erwarten. Im Norden ist diese sogenannte "warme Nase" in mittleren Schichten nicht so starke ausgeprägt. Entsprechend dürfte der Niederschlag als Schnee den Boden erreichen. Selbiges gilt für die Gebiete weiter in Richtung Osten.
Noch einmal zurück zur Reise der Niederschlagsteilchen durch die Atmosphäre. Es gibt tatsächlich auch die Möglichkeit, dass es in allen Luftschichten frostig ist, und trotzdem (gefrierender) Regen in Form von Sprühregen den Boden erreicht. Dies kann passieren, wenn die Niederschlagsteilchen bei einer Temperatur oberhalb von -10 Grad entstehen und auch darunter keine kältere Luftschicht zu finden ist. Dann überwiegen unterkühlte Wassertröpfchen, die ihre Phasenlage auf ihrem Weg nach unten auch nicht mehr ändern.
Diese beschriebene Reise führt der Warnmeteorologe bei jedem Dienst virtuell mit Hilfe der vorliegenden Wettermodelle durch und weiß entsprechend, mit welcher Art von Niederschlag zu rechnen ist. In der Nacht auf Samstag wird es dann also warntechnisch hochinteressant.
Dipl.-Met. Marcus Beyer
Deutscher Wetterdienst