"Ou sont les neiges d'antan?" (sinngemäß franz. für "Wo ist der Schnee vom vergangenen Jahr?") fragte einst der Schriftsteller Francois Villon in einem Gedicht von 1461 und erinnert wehmütig an alte Zeiten. Er hätte sich bestimmt nicht träumen lassen, dass einmal eine mögliche Antwort lauten könnte: "In einem großen Schneehaufen und mit Sägespänen zugedeckt."
"Snowfarming" (frei übersetzt: Anbau von Schnee) nennt sich dieses Verfahren, bei dem Altschnee vom vorigen Winter z.B. unter Sägemehl oder Vlies gelagert wird und so den Sommer überdauert. Denn immer häufiger werden die Jahre, in denen die Skisaison naht, aber die Wiesen immer noch grün und die Temperaturen nicht gerade winterlich sind - so wie auch in diesem Jahr. Auf dem Innsbrucker Hausberg Patscherkofel muss heuer der Saisonstart beispielsweise um mindestens zwei Wochen verschoben werden, weil nicht genug Schnee liegt.
Das bedeutet für die betroffenen Skigebiete natürlich enorme Einbußen und die Tourismusbranche musste eine Möglichkeit finden, um in Zukunft weniger von der Natur abhängig zu sein. Die Idee entstand schnell und wird in Finnland bereits auch schon seit einigen Jahren praktiziert: Im Frühjahr werden Kunstschnee und der übrig gebliebene Restschnee zu einem großen Schneedepot zusammengehäuft und mit Sägespänen oder z.B. einer großen Vliesdecke abgedeckt. Mittlerweile bleiben bei der Übersommerung 80% des im Depot gelagerten Volumens erhalten. Im Herbst wird dieser Altschnee dann "geernet" und damit Pisten und Loipen präpariert - einige Wochen bevor Schnee vom Himmel oder aus Schneekanonen gerieselt wäre. Das Ergebnis kann für den einen oder anderen Betrachter auf den ersten Blick durchaus kurios wirken (siehe Bild unter http://bit.ly/1RlBAwZ).
Ein Skigebiet, das schon seit ein paar Jahren aktiv Snowfarming praktiziert und in dem Gebiet auch Forschung betreibt, ist Davos-Klosters (Schweiz). 20000 Kubikmeter Schnee sollen künftig im Flüelatal bei Davos gelagert werden. Für diesen großen Berg Schnee wird ein riesiges Loch gegraben. Trotz dieser Baumaßnahmen und der Tatsache, dass der Schnee am Anfang der Skisaison verteilt werden muss, gilt Snowfarming als umweltfreundlicher als die Beschneiung durch Schneekanonen; obwohl auch beim Snowfarming Kunstschnee verwendet wird. Denn der Schnee wird nur bei Minustemperaturen hergestellt, sodass man weniger Wasser und Energie benötigt als bei (eventuell) milden Bedingungen im Herbst.
Wie viel von dem eingelagerten Schnee am Ende des Sommers tatsächlich übrig bleibt, hängt von meteorologischen Einflüssen wie Temperatur, Wind, Niederschlag und der Sonneneinstrahlung ab. Auch die Lage des jeweiligen Gebietes ist entscheidend. Um die Einflüsse genauer bestimmen zu können, werden vom Institut für Schnee- und Lawinenforschung in Davos zwischen dem Vlies und dem Schnee, bzw. zwischen den Sägespänen und dem Schnee Datenlogger platziert, die stündlich die Temperatur messen und abspeichern. Ein weiterer Temperaturlogger wird unter den Schneehaufen gelegt um den Einfluss der Bodentemperatur zu verfolgen. Die meteorologischen Daten werden mit Messstationen an verschiedenen Standpunkten erfasst. Schließlich werden die gemessenen Werte von Frühling und Herbst miteinander verglichen.
Was der Dichter Francois Villon zu dieser Entwicklung gesagt hätte, bleibt Spekulation. Auf jeden Fall sind die Zeiten, in denen die Natur (oder Petrus oder wer auch immer) entschieden hat, wann wieviel Schnee auf den Pisten liegt, vorbei - oder besser gesagt "Schnee von gestern"...
Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann
Deutscher Wetterdienst