In Sachen Winter hat der Dezember bisher kaum auf sich aufmerksam gemacht und das obwohl die Königskerze eines bayerischen Hobbygärtners doch einen Jahrhundertwinter prophezeite... Für den Dezember sieht es in Bezug auf Winterwetter derzeit ziemlich schlecht aus. Wie so häufig ist es der Nordatlantik, der dem Winter das Wort verbietet. Dort herrscht aktuell eine rege Tiefdrucktätigkeit, mit der immer wieder milde Luftmassen bis nach Deutschland transportiert werden.
Voraussetzung für die Entstehung eines Tiefs sind Temperaturgegensätze zwischen Nord und Süd. Die Natur ist nach Ausgleich bestrebt und um diesen herbeizuführen, braucht sie Hilfsmittel - die Tiefdruckgebiete. Die Tiefs sind die "Schaufelradbagger" der Atmosphäre, die warme Luftmassen nach Norden und kalte Luft nach Süden transportieren. Je größer die Temperaturgegensätze sind, desto mehr "PS" besitzen auch die "Bagger", um den Ausgleich zu schaffen. Schaut man derzeit auf den östlichen Nordatlantik so liegen die Temperaturunterschiede in den mittleren Atmosphärenniveaus bei 12 Grad auf nur 500 km.
Genau entlang der Trennlinie der beiden Luftmassen hat sich Tief WERNER II, dass sich derzeit bei Irland befindet und einen Kerndruck von 1005 hPa aufweist. Klingt erstmal wenig spektakulär, aber nun wird es spannend. Die Atmosphäre muss immer in drei Dimensionen betrachtet werden. So beeinflussen Prozesse in der höheren Atmosphäre die Entwicklung am Boden. Auch in Höhen zwischen 5 und 10 km gibt es Tiefdruckgebiete (so genannte Tröge). Wie Zahnräder greifen die Tiefs in den verschiedenen Höhen ineinander. Bei einer bestimmten Konstellation können Tröge in der Höhe zu einer Verstärkung der Bodentiefs führen.
Und genau dies passiert in den nächsten Stunden. Es hat bereits kräftiger Druckfall eingesetzt, sodass zu erwarten ist, dass sich WERNER II in den nächsten Stunden weiter intensiviert. Das Tief zieht bis zum Abend zur südlichen Nordsee. Auf dessen Vorderseite wird warme Luft in Richtung Deutschland geführt. Durch das Aufgleiten der Warmluft auf die vorgelagerte schwerere Kaltluft wird die Luft gehoben. Die Konsequenz sind Wolken und Niederschlag, die den Nordwesten am späten Nachmittag erreichen. Mit der Ankunft der ersten Tiefausläufer legt auch der Südwind deutlich zu.
Richtig spannend wird es dann in den Nachtstunden, wenn WERNER II über Schleswig-Holstein und das nördliche Mecklenburg-Vorpommern bis nach Nordpolen weiter zieht. Der Kerndruck des Tiefs soll dabei auf unter 1000 hPa fallen. Entscheidend für die Windstärke ist aber nicht der Kerndruck an sich, sondern die horizontalen Druckunterschiede. Je größer diese sind, desto kräftiger ist auch der zu erwartende Wind. Da über Mitteldeutschland der Luftdruck bei etwa 1016 hPa erwartet wird, ergibt sich ein Unterschied von etwa 16 hPa auf 400 km. Entsprechend muss heute Nacht an der Südflanke des Tiefs mit kräftigem Wind gerechnet werden. Das gilt besonders für den Zeitpunkt des Kaltfrontdurchgangs. Dann wird nämlich kräftiger Wind auch aus höheren Luftschichten bis zum Boden gemischt. Es muss mit stürmischen Böen, teils auch Sturmböen (Bft 8 bis 9, 65 bis 85 km/) gerechnet werden. Von Niedersachsen bis in den Norden von Sachsen-Anhalt sind auch einzelne schwere Sturmböen (Bft 10, um 90 km/h) nicht ausgeschlossen. Entsprechend ist Vorsicht bei möglichen Nachtspaziergängen geboten.
Dort, wo der Kern des Tiefs entlang zieht, bekommt man von alledem nicht viel mit. Der Wind ist deutlich schwächer. Allerdings muss in diesen Gebieten mit den stärksten Niederschlägen gerechnet werden. Dort sind bis Sonntagmorgen durchaus 20 bis 30 l/qm möglich. Da das Tiefzentrum genau den Grenzbereich zwischen kalter und warmer Luft markiert, ist es durchaus möglich, dass im Norden von Schleswig-Holstein auch ein paar nasse Schneeflocken vom Himmel fallen.
Für allerhand Spannung ist also heute Nacht auf jeden Fall gesorgt. Die Bewohner der Südhälfte werden hingegen nur müde mit den Achseln zucken. Weder Regen noch Sturm, dafür schwacher Hochdruckeinfluss sorgen dort für eine ruhige Nacht. Wenn WERNER II am morgigen Vormittag ostwärts abzieht, kehrt auch im Rest des Landes wieder ruhiges, zu Nebel und Hochnebel neigendes Wetter ein.
Ob der Winter um Weihnachten und den Jahreswechsel herum auch mal zu Wort kommt? Nunja ... Wünsche dürfen auf jeden Fall geäußert werden.
Dipl.-Met. Marcus Beyer
Deutscher Wetterdienst